Detailseite
Projekt Druckansicht

Kognitive Kontrolle und der präfrontale Kortex: Funktionelle Messungen und Effekte von Neuromodulation bei gesunden Probanden und einer hoch-impulsiven Risikostichprobe

Fachliche Zuordnung Biologische Psychiatrie
Kognitive und systemische Humanneurowissenschaften
Persönlichkeitspsychologie, Klinische und Medizinische Psychologie, Methoden
Förderung Förderung von 2016 bis 2020
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 287036658
 
Erstellungsjahr 2021

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Menschliches Verhalten zeichnet sich durch die Fähigkeit aus, persönliche Ziele zu verfolgen und sich gleichzeitig flexibel an wechselnde Umweltbedingungen anzupassen. Kognitive Kontrolle ist dabei immer dann erforderlich, wenn ziel-irrelevante Information mit zielrelevanter Information bei der Verhaltensauswahl interferiert, d.h. wenn aufgaben-irrelevante Reizmerkmale mit einer Reaktion assoziiert sind, die sich von der im Sinne der aktuellen Aufgabeninstruktion geforderten Reaktion unterscheidet. Ein solcher Mismatch führt zu einem Konflikt zwischen inkompatiblen Handlungstendenzen, der zielorientiertes Handeln erschwert. Die Mechanismen, über die das kognitive Kontrollsystem entsprechende Konflikte bewältigt, sind nach wie vor nicht vollständig geklärt. Unser Projekt zielte daher darauf ab, die neuronalen Grundlagen kognitiver Kontrolle sowie ihre Modulierbarkeit bei gesunden Personen und neurokognitiven Risikostichproben weiter zu untersuchen. Zu diesem Zweck wurde eine gesichtsbasierte Stroop-Aufgabe als zentrales Paradigma etabliert, um das Zusammenspiel des dorsolateralen Präfrontalkortex (DLPFC) mit aufgabenrelevanten sensorischen Arealen abzubilden. Dabei kamen neben neurophysiologischen Messverfahren (simultane NIRS/EEG-Messung) auch Methoden der nicht-invasiven Hirnstimulation zum Einsatz (inhibitorische bzw. exzitatorische Theta-Burst- Stimulation, TBS), um eine kausale Beteiligung des DLPFC an Prozessen kognitiver Kontrolle nachzuweisen. Neben gesunden Personen wurden auch subklinische Stichproben hoch-impulsiver Probanden untersucht, die häufig Defizite in kognitiven Kontrollfunktionen aufweisen. Hier wurde speziell der Einsatz exzitatorischer Neurostimulation getestet, der längerfristig auch in klinischen Stichproben (z.B. bei Patienten mit ADHS) therapeutisches Potential haben könnte. Neben dem Stroop-Task wurden auch ein Paradigma zum impulsiven (vs. kontrollierten) Essverhalten, ein Emotionsregulationsparadigma sowie ein spieltheoretisches Paradigma eingesetzt, um kognitive Kontrolle mit höherer ökologischer Validität und auf unterschiedlichen Funktionsebenen abzubilden. Als Hauptergebnis der bisherigen Analysen ließ sich für den Stroop-Task eine zentrale Rolle des DLPFC – mit modalitätsspezifischem Einfluss auf aufgabenrelevante sensorische Areale – bei kognitiven Kontrollprozessen bestätigen. Genauer konnte im Bereich des auditorischen Kortex eine Suppression der Aktivität beobachtet werden, wenn der auditive Stimulus als Distraktor diente, allerdings nur bei „intaktem“ DLPFC, nicht nach vorübergehender Inhibition dieses Areals. Im Unterschied dazu zeigte sich im Bereich des fusiformen Gesichtsareals (FFA) keine Suppression der Informationsverarbeitung im Falle eines visuellen Distraktors, es fanden sich vielmehr Hinweise auf eine besonders intensive Reizverarbeitung visueller Targets unter konfliktreichen Bedingungen. Interessanterweise war auch dieser Effekt nach inhibitorischer Stimulation des DLPFC nicht mehr nachweisbar. Die Ergebnisse weisen auf eine kausale Rolle des DLPFC bei kognitiven Kontrollprozessen hin, wobei als relevante Mechanismen Aufmerksamkeitsmodulationen in sensorischen Hirnarealen nachgewiesen wurden, die sich modalitätsspezifisch unterschieden. Im Rahmen des spieltheoretischen Paradigmas (kombiniertes Ultimatum Game/Dictator Game [UG/DG]) zeigte sich außerdem vermehrtes „Rache-Verhalten“, wenn bei gesunden Personen der rechte DLPFC gehemmt wurde, was auf eine zentrale Beteiligung kognitiver Kontrollprozesse am Phänomen des „Verzeihens“ hinweist. Bei hochimpulsiven Personen zeigte sich – neben globaleren Defiziten in der Emotionsregulation – ein ähnliches Muster vermehrten Racheverhaltens, was diese Theorie weiter stärkt, da Impulsivität mit einer verringerten Frontalhirnkontrolle einhergeht. Überraschenderweise war eine exzitatorische Stimulation des DLPFC nicht in der Lage, das vermehrte Racheverhalten zu „normalisieren“; stattdessen führte eine solche Stimulation zu vermehrter Großzügigkeit gegenüber vormals fairen Mitspielern). In Folgestudien werden nun Personen unterschiedlicher Persönlichkeitsprofile mit den genannten Paradigmen und Stimulationsbedingungen weiter untersucht. Zusammengefasst konnte mit dem geförderten Projekt eine zentrale – und möglicherweise kausale – Beteiligung des DLPFC an kognitiven Kontrollprozessen bestätigt werden, wobei Konflikte auf unterschiedlichen Ebenen betrachtet wurden (sensorisch, kognitiv/kulturell, emotional, Appetenz-Aversionskonflikt). Dies stellt einen wichtigen Schritt zu einer ganzheitlichen Erfassung der Funktionsweise kognitiver Kontrolle beim Menschen dar.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2018) Forgiveness and cognitive control – Provoking revenge via thetaburst-stimulation of the DLPFC. Neuroimage 183: 769-775
    Maier MJ, Rosenbaum D, Haeussinger, FB, Brüne M, Enzi B, Plewnia C, Fallgatter AJ, Ehlis AC
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.neuroimage.2018.08.065)
  • (2019) Disinhibited revenge – An fNIRS study on forgiveness and cognitive control. Front Behav Neurosci 13: 223
    Maier MJ, Rosenbaum D, Haeussinger FB, Brüne M, Fallgatter AJ, Ehlis AC
    (Siehe online unter https://doi.org/10.3389/fnbeh.2019.00223)
  • (2019) The role of cognitive control in prosocial behavior – Investigating the neural foundations of retribution and forgiveness
    Maier MJ
    (Siehe online unter https://doi.org/10.15496/publikation-36973)
 
 

Zusatzinformationen

Textvergrößerung und Kontrastanpassung