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Gesellschaftliche Erwartungen und bürokratische Experten: Die Kommissionen und Ausschüsse des Deutschen Bundes als Foren politischer Aushandlungsprozesse (1816-1848)

Fachliche Zuordnung Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung Förderung von 2015 bis 2020
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 288495095
 
Erstellungsjahr 2019

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Im Zuge des Projekts wurde erstmals systematisch die Tätigkeit der zahlreichen Kommissionen und Ausschüsse der Deutschen Bundesversammlung im Zeitraum von 1816 bis 1848 untersucht. Dazu wurden aus den verfügbaren Quellen alle 202 Kommissionen und Ausschüsse und ihre personelle Zusammensetzung sowie der Bereich ihrer jeweiligen Tätigkeit ermittelt. Auf dieser breiten Datengrundlage konnte gezeigt werden, dass diese Gremien eine wichtige Rolle bei dem Versuch der föderativen Ausgestaltung und inneren Integration des deutschen Staatenbundes spielten, was von der Forschung bisher nicht wahrgenommen wurde. Über die Kommissionen und Ausschüsse nahm der Deutsche Bund zahlreiche Politikfelder in Angriff und reagierte damit sowohl auf individuelle Eingaben als auch auf allgemeine gesellschaftliche Erwartungen und Bedürfnisse. Auf diese Weise wurden vielfältige Vorarbeiten zu bundeseinheitlichen Maßnahmen durchgeführt oder doch zumindest in den ausführlichen Debatten und Beratungen unterschiedliche Positionen und Interessen in der Absicht erwogen, konkrete Fortschritte bei der weiteren Integration und der politischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Modernisierung des Deutschen Bundes zu erzielen. Dieser Befund, der in vielen Einzelheiten dargelegt und durch ausführliche Quellenauswertungen substantiiert wird, korrigiert die gängige Charakterisierung des Deutschen Bundes als einer Einrichtung, die nahezu ausschließlich der repressiven Politik der konservativen Obrigkeiten gedient und für die innere Entwicklung Deutschlands keine konstruktive Rolle gespielt habe. Ein in dieser Form nicht vorhersehbares Ergebnis der Untersuchung ist einerseits die Anzahl der Kommissionen und Ausschüsse und damit verbunden die Vielfalt ihrer Tätigkeitsbereiche, die sich auf politische, wirtschaftliche, technische, rechtliche und kulturelle Materien bezog, deren föderative Regelung von Individuen, Vereinen, Verbänden, Regierungen, Abgeordneten und Wissenschaftlern an die Bundesversammlung herangetragen wurde. Besonders bemerkenswert ist ein weiterer Aspekt: In den Ausschüssen und Kommissionen formierte sich eine die Einzelstaaten übergreifende Funktionselite aus Diplomaten, Beamten und Sachverständigen, die nicht nur partikulare Interessen vertraten, sondern gemeinsame föderative Regelungen und Normen anstrebten, wobei sie sich in ihren Beratungen teilweise einer Verfahrensweise bedienten, wie sie in parlamentarischen Verhandlungen üblich waren. In den Bundestagsausschüssen und -kommissionen wurden somit die Weichen für manche Modernisierungsvorhaben gestellt, und in ihnen fanden wichtige Lernprozesse statt, die auf die Entstehung späterer bundesstaatlicher und parlamentarischer Institutionen verweisen.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Quellen zur Geschichte des Deutschen Bundes. Für die Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften hrsg. von Lothar Gall und Andreas Fahrmeir. Abteilung III: Quellen zur Geschichte des Deutschen Bundes 1850–1866. Bd. 4: Vom Frankfurter Fürstentag bis zur Auflösung des Deutschen Bundes 1863–1866. Berlin/Boston 2017, 1153 S
    Jürgen Müller (Bearb.)
  • Deutscher Bund und innere Nationsbildung im Vormärz (1815– 1866). (Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 101.) Göttingen 2018, 236 S
    Jürgen Müller (Hrsg.)
    (Siehe online unter https://doi.org/10.13109/9783666355974)
  • Die Kommissionen der Deutschen Bundesversammlung als Foren von Aushandlungsprozessen zwischen Bürokratie und Gesellschaft (1816–1848), in: Jürgen Müller (Hrsg.), Deutscher Bund und innere Nationsbildung im Vormärz (1815– 1848). (Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 101.) Göttingen 2018, S. 59–79
    Marko Kreutzmann
    (Siehe online unter https://doi.org/10.13109/9783666355974.59)
  • Harter Prexit. Der Austritt Preußens aus dem Deutschen Bund 1866, in: Historische Mitteilungen 30, 2018, S. 99–118
    Jürgen Müller
  • Zwischen Deutschem Bund und Deutschem Zollverein: Die Zollpolitik in der Region Thüringen im 19. Jahrhundert, in: Stefan Gerber/Werner Greiling/ Marco Swiniartzki (Hrsg.), Industrialisierung, Industriekultur und soziale Bewegungen in Thüringen, Wien/Köln/Weimar 2018, S. 77–91
    Marko Kreutzmann
    (Siehe online unter https://doi.org/10.7788/9783412512279.77)
  • Anpassungsdruck und einzelstaatliche Handlungsspielräume: Das Großherzogtum Luxemburg in der Verwaltungsorganisation des Deutschen Zollvereins, in: David und Goliath. Die Anbindung des Großherzogtums Luxemburg an den Deutschen Zollverein 1842–1918, hrsg. vom Luxemburger Nationalarchiv. Luxemburg 2019, S. 46–65
    Marko Kreutzmann
  • Bundestag und Öffentlichkeit. Die Auseinandersetzung um die Veröffentlichung der Protokolle der Deutschen Bundesversammlung 1816–1848, in: Holger Böning/Hans-Werner Hahn/Alexander Krünes/Uwe Schirmer (Hrsg.), Medien – Kommunikation – Öffentlichkeit. Vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart. (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Thüringen, Kleine Reihe, Bd. 58.) Wien/Köln/Weimar 2019, S. 465–479
    Marko Kreutzmann
    (Siehe online unter https://doi.org/10.7788/9783412516710.465)
  • Die außenpolitische Stellung Württembergs zwischen 1866 und 1871, in: Wolfgang Mährle (Hrsg.), Württemberg und die Deutsche Frage 1866–1870: Politik – Diskurs – Historiografie. (Geschichte Württembergs. Impulse der Forschung, Bd. 5.) Stuttgart 2019, S. 35–48
    Jürgen Müller
 
 

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