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Ein Nationalstaat als religiöser Akteur: Das indonesische Religionsministerium (Kementerian Agama) und die Deutungshoheit über den Koran

Fachliche Zuordnung Islamwissenschaft, Arabistik, Semitistik
Asienbezogene Wissenschaften
Förderung Förderung von 2015 bis 2019
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 289179613
 
Das indonesische Religionsministerium beteiligt sich aktiv am muslimischen religiösen Diskurs des Landes, indem es eine offizielle Koranübersetzung und einen ebensolchen Korankommentar herausgibt. Diese Werke haben ihren Ursprung in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts und haben seitdem mehrere Revisionen erlebt, die auch die sich verändernden politischen Umstände widerspiegelten. Sowohl die Übersetzung als auch der Kommentar wurden von größeren Komitees von Gelehrten erstellt und überarbeitet, womit Indonesien das erste muslimisch geprägte Land überhaupt war, das autoritative exegetische Werke herausgab, die nicht mehr als Schriften einzelner Gelehrter erkennbar waren. Die Koranübersetzung des Religionsministeriums hat eine extrem hohe Reichweite und dominiert den Markt. Auch die von Saudi-Arabien kostenlos vertriebenen Koranexemplare folgen dieser Übersetzung, allerdings mit dogmatisch begründeten Modifikationen. Das vorliegende Projekt möchte sich der Untersuchung der Koranübersetzungen und -kommentare des Religionsministeriums widmen und dadurch einen Beitrag zur Untersuchung nationalstaatlicher Ansprüche auf Deutungshoheit im Bereich der muslimischen Koranauslegung leisten. In jüngerer Zeit richtet die Forschung ihren Blick verstärkt auf die Frage, welchen Einfluss der Nationalstaat und seine Institutionen nicht nur auf Finanzierung, Strukturen und Personal religiöser Institutionen, sondern auch auf die Inhalte des islamischen religiösen Diskurses nehmen; dieser Frage möchte auch dieses Projekt sich annehmen. Anhand des konkreten Fallbeispiels einer staatlichen, kollektiv erarbeiteten Koranübersetzung möchte das Forschungsvorhaben aufzeigen, wie ein Staat mit einer muslimischen Bevölkerungsmehrheit, ungeachtet seines Selbstverständnisses als religiös neutraler Staat, als Akteur am religiösen Diskurs beteiligt ist und welche inhaltlichen Auswirkungen dies hat. Dadurch, dass es Werke in den Mittelpunkt stellt, die sich keinem einzelnen Gelehrten mehr zuschreiben lassen, sondern als Ergebnis institutionellen Handelns veröffentlich werden, liefert es Erkenntnisse über die veränderten Bedingungen der Konstruktion religiöser Autorität im Kontext moderner Nationalstaaten. Gleichzeitig strebt das Vorhaben an, einen inhaltlichen und methodologischen Beitrag zur Erforschung muslimischer Koranübersetzungen im 20. und 21. Jahrhundert zu leisten, indem es am indonesischen Fallbeispiel Mechanismen exegetischer Entscheidungen analysiert. Es sucht zu eruieren, an welchen Stellen diese Entscheidungen augenfällig werden, aus welchen Gründen dies geschieht und welche Tragweite für das Verständnis des Textes sie entfalten. Dies wiederum ermöglicht Aussagen darüber, ob bzw. an welchen Punkten das Religionsministerium bestimmte Deutungen, Strömungen und Meinungen favorisiert und andere marginalisiert und inwieweit es demgegenüber bemüht war, eine ausgleichende, harmonisierende oder neutrale Position einzunehmen.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
Internationaler Bezug Indonesien
Kooperationspartner Dr. Moch Nur Ichwan
 
 

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