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Typisierungen des Humanen. Visuelle Anthropologie und ihre spät- und neo-viktorianische Kritik

Fachliche Zuordnung Europäische und Amerikanische Literatur- und Kulturwissenschaften
Förderung Förderung von 2016 bis 2023
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 289471916
 
Das Projekt beschäftigt sich mit spät- und neo-viktorianischen Kritiken an wissenschaftlichen, soziologischen und literarischen Typenbildungen in der britischen Kultur des 19. Jahrhunderts. Dabei wird davon ausgegangen, dass neo-viktorianische ebenso wie spätviktorianische Literatur und Bildkunst symptomatologisch als kritische Reaktionen auf im 19. Jahrhundert aufkommende Problemstellungen verstanden werden können. Das Projekt untersucht die literatur- und medienanthropologischen Implikationen typenbildender Verfahren sowie taxonomischer Modelle und blickt dabei besonders auf Repräsentationen von Blickregimes, klassifikatorischen Ordnungsmodellen und seriellen Präsentationsweisen in künstlerischen und kulturellen Praktiken. Der typisierende Blick auf den Menschen und insbesondere das Gesicht, seine Klassifikation in den entstehenden Disziplinen der Ethnologie und der Anthropologie, seine Instrumentalisierung in Fantasien der Überwachung im Kontext einer entstehenden Massengesellschaft und die daraus entwickelten eugenischen Maßnahmen werden als Symptome eines kulturellen Dilemmas verstanden, in dessen Kern die Frage steht, wie hereditäre Determinanten und soziale Milieus auf die Typisierung einwirken und wie umgekehrt eingeführte Typen normativ auf die Selbstgestaltung der Subjekte zurückwirken. Die künstlerische Repräsentation dieser wissenschaftlichen Verfahren und Problemstellungen in spät- und neo-viktorianischen kulturellen Produktionen verweist auf die Bruchstellen der szientifischen Methoden der Erfassung des Menschen, auf die Unzuverlässigkeit menschlicher Sinneswahrnehmung sowie die unvermeidliche Subjektivität jeder anthropologischen Darstellung. So wie sich die in der Phantastik beobachtbare Krise des realistischen Schreibens als Folge einer Krise des Gesichtssinns lesbar machen und der phantastische Modus sich somit als proto-modernistische Schreibweise verstehen lässt, so macht auch die spezifische Ästhetik des neo-viktorianischen Comic diese Krise in Form von Verfremdungen und Verzerrungen sichtbar, die sich ebenfalls als modernistische Verfahren beschreiben ließen. Anhand von exemplarischen Analysen aus dem Bereich dieser beiden Medien und Diskursgemeinschaften, der spätviktorianischen Phantastik und des neo-viktorianischen Comic, werden in dem Projekt die Wechselwirkungen zwischen wissenschaftlichen und ästhetischen Formen der Typisierung, der literarischen und bildlichen Figurenzeichnung sowie der physiognomischen Semiotik vergleichend betrachtet und im Hinblick auf ihr autoethnographisches, kulturkritisches Potential hin untersucht.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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