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Mechanisms of Active Tactile Exploration

Fachliche Zuordnung Kognitive, systemische und Verhaltensneurobiologie
Förderung Förderung von 2007 bis 2012
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 28976007
 
Erstellungsjahr 2011

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Projekt untersuchte die Verhaltensrelevanz taktiler Information für die Fortbewegung. Experimentelle Arbeiten wurden an Stabheuschrecken der Art Carausius morosus durchgeführt. Das Projekt wurde in drei Teilen bearbeitet: I.) Ein verhaltensphysiologischer Teil untersuchte die Koordination von Antennengelenken bei aktiven Abtastvorgängen, die Bedeutung einzelner Mechanosensoren für die Bewegungssteuerung der Antenne (des Fühlers) und die Koordination von Antenne, Kopf und Thorax während des Laufens. II.) Ein neurophysiologischer Teil charakterisierte die Eigenschaften der Nervenzellen, die taktile Information vom Gehirn an die „Bewegungszentren“ der Beine überträgt. Außerdem wurde das Auge einer Stabheuschrecke rekonstruiert und damit die Grundlage für die Untersuchung visuell-taktiler Integration geschaffen. III.) Ein Modellierungsteil evaluierte technische Lösungen zur taktilen Lokalisation und Materialklassifikation mit einem insektenähnlichen Fühler, sowie die Kontrolle verschiedener Bewegungsmuster mithilfe rekurrenter Künstlicher Neuronaler Netze (KNN). Die Ergebnisse zeigen, dass die verschiedenen Spielarten mechanosensorischer Information unterschiedliche Bedeutung haben und sowohl im Verhalten unterschiedliche Funktionen tragen, als auch im Nervensystem in unterschiedlichen Neuronengruppen verarbeitet werden. Borstenfelder an den beiden Gelenken haben spezifische Bedeutung bei der Regelung des Bewegungsmusters des Fühlers, z.B. für den Arbeitsbereich oder die Geschwindigkeit der Bewegung. Anatomisch zeigen die primären sensorischen Neurone dieser Borstenfelder Verzweigungsmuster im Gehirn, die eine direkte Verbindung zu Motoneuronen der Antennenmuskeln und zu absteigenden Neuronen möglich machen. Das unterstreicht die zentrale Bedeutung dieser Sensoren. Tatsächlich zeigt sich im Verhalten, dass die Information, die von Borstenfeldern an das zentrale Nervensystem vermittelt wird, sowohl für die Kopplung der beiden Antennengelenke während des aktiven Suchens, als auch für gezielte Greifbewegungen zum Berührungspunkt der Antenne wichtig ist. Im Verhalten zeigt sich zudem, dass Kontaktereignisse, die vermutlich über Berührungsposition sowie Biegung und Vibration des Flagellums sensorisch erfasst werden, zu deutlichen Änderungen im Bewegungsablauf der Antenne führen, z.B. bei der Koordination der Antennengelenke. Elektrophysiologisch wurden ca. 60 Neurone eingehend charakterisiert, die Kontaktinformation vom Gehirn an die motorischen Netzwerke im Thorax vermitteln (bzw. als Kandidaten hierfür gelten müssen). Da die Charakterisierung dieser Neurone mit drei Berührungs-, Biege- und Vibrationsstimuli drei unterschiedliche Aspekte von Kontaktereignissen umfasste, konnten unterschiedliche funktionale Gruppen von mechanosensorischen Neuronen identifiziert werden. Eine Gruppe umfasst Neurone die bevorzugt auf distale Berührungsreize reagiert, aber nur wenig auf Biege- und Vibrationsreize. Andere Gruppen zeigen keine Selektivität für unterschiedliche Berührungsorte, zeichnen sich jedoch durch geschwindigkeitsbzw. frequenzabhängige Reaktion auf Biege- bzw. Vibrationsreize aus. Neben den Untersuchungen zur neuronalen Verarbeitung und Verhaltensrelevanz taktiler Information wurden auch zwei verhaltensphysiologische „Rahmenbedingungen“ für die Integration taktiler Information mit anderer sensorischer Information untersucht. Dabei ergab sich, dass rhythmische Kopf- und Thoraxbewegungen den räumlichen Arbeitsbereich und die Ankopplung sensorischer Information an das Schrittmuster der Beine signifikant beeinflusst. So wird z.B. das Schlagfeld der Antennen zusätzlich vergrößert und die Phasenkopplung zwischen Antennen- und Beinbewegung verstärkt. Eine neue Bewegungsanalysemethode für frei laufende Insekten, im Verbund mit der Rekonstruktion des visuellen Feldes und des räumlichen Auflösungsvermögens der Komplexaugen, eröffnet weitreichende neue Möglichkeiten bei der Analyse der visuell-taktilen Integration. Im Modellierungsteil wurde einerseits ein bio-inspiriertes, technisches System zur taktilen Entfernungsmessung und Materialklassifikation auf der Basis von KNNs erprobt. Andererseits wurde der Einsatz zweier rekurrenter KNN-Typen für die Kontrolle kontextabhängiger Übergänge zwischen zwei Antennen-Bewegungsmustern evaluiert.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2007). Bionic tactile sensor for near-range search, localisation and material classification. In: K. Berns and T. Luksch (Hrsg.) Autonome Mobile Systeme 2007, 20. Fachgespräch (AMS 2007, Kaiserslautern). Informatik Aktuell. Heidelberg: Springer. S. 240-246
    V. Dürr, A. F. Krause, M. Neitzel, O. Lange, and B. Reimann
  • (2009). Direct control of an active tactile sensor using echo state networks. Proceedings of the 3rd International Workshop on Human-Centered Robotic Systems (HCRS 2009, Bielefeld)
    A. F. Krause, B. Bläsing, V. Dürr, and T. Schack
  • (2010). Evolutionary optimization of echo state networks: multiple motor pattern learning. Proceedings of the 6th International Workshop on Artificial Neural Networks and Intelligent Information Processing (ANNIIP 2010, Funchal, Madeira)
    A. F. Krause, V. Dürr, B. Bläsing, and T. Schack
  • (2010). Feel like an insect: a bio-inspired tactile sensor system. Proc.Int.Conf. Neural Information Processing (ICONIP 2010, Sydney, Australia)
    S. Hellbach, A. F. Krause, and V. Dürr
  • (2011). Active tactile exploration for adaptive locomotion in the stick insect. Phil.Trans.R.Soc.Lond.B.
    C. Schütz and V. Dürr
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1098/rstb.2011.0126)
 
 

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