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Vlad Tepes Dracula. Herrscherbiographie und Tyrannenlegende

Fachliche Zuordnung Mittelalterliche Geschichte
Frühneuzeitliche Geschichte
Förderung Förderung von 2016 bis 2020
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 289884789
 
Erstellungsjahr 2021

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Als Vorlage für Bram Stokers Vampirgrafen „Dracula“ trat Vlad „der Pfähler“ (1431-1476) am Ende des 19. Jahrhunderts einen Siegeszug im Horrorroman und im Gruselfilm an. Experten wissen, dass es bereits in den Flugschriften der Frühen Neuzeit eine von der vermeintlichen Türkengefahr und der reformatorischen Öffentlichkeit inspirierte Schauerliteratur gab. Populären Deutungen zufolge versuchte der Woiwode der Walachei nach orientalischem Vorbild eine autoritäre Herrschaft zu etablieren oder einen Kreuzzug gegen das Osmanische Reich zu führen. Wegen seiner bevorzugten Hinrichtungsmethode erhielt er bemerkenswerterweise zuerst von den Osmanen und dann von den Rumänen den Spitznamen „der Pfähler“. Im lateinischen Abendland wurde er als Tyrann und Wüterich verunglimpft, ohne in Betracht zu ziehen, dass sich sein Ehrenname „Dracula“ von der Mitgliedschaft seines Vaters im Drachenorden Kaiser Sigismunds ableitete. Die Sammlung Corpus Draculianum vereint erstmals alle Quellen von und zu Vlad dem Pfähler aus dem Zeitraum von 1448 bis 1650: private, diplomatische und Handelskorrespondenzen, Verhandlungsprotokolle, Verwaltungsdokumente, Narrativ- und Bildquellen sowie Inschriften, Münzen und Siegel. Dutzende Chronisten, Literaten und Machtträger aus den Herrscherhöfen vom Safawidenreich bis zur Iberischen Halbinsel, Britannien und dem Moskauer Reich haben einschlägige Zeugnisse hinterlassen. Die in siebzehn europäischen und orientalischen Sprachen verfassten Quellen werden von einem interdisziplinären Forscherteam zweisprachig (Originaltext und Übersetzung) kritisch ediert und ausführlich kommentiert. Gerichtet ist diese Handreichung für Forschung und Lehre sowohl an interessierte Laien als auch an Spezialisten. Zu den wichtigsten Ergebnissen einer im Rahmen des Projekts entstandenen Dissertation, welche die Biographie des Woiwoden in eine Überlieferungsgeschichte integriert, zählt der Befund, dass Vlad nach dem Urteil seiner walachischen Zeitgenossen keineswegs ein völlig untypischer Woiwode gewesen ist. Seine sadistische Darstellung geht auf propagandistische Deformierungen durch seine Widersacher zurück, die ihn aber nicht auszuschalten vermochten. Zeitgenössische Autoren, die diese Interpretationslinie verfolgen, verfügten nur über beschränkte Kenntnisse des politischen Geschehens. Ihnen entging sogar Vlads vorübergehende Kollaboration mit den osmanischen Vorherrschern auf dem Balkan. Was sich nunmehr herauskristallisiert, ist das Bild eines herausragenden Heerführers, der diplomatisch kurzsichtig agierte. Der walachische Woiwode ist einem Verratsvorwurf zum Opfer gefallen, mit dem sich der ungarische König Matthias Corvinus der Verpflichtung zum Kreuzzug entziehen wollte. Im guten Glauben an anfängliche Versprechungen nahm Vlad einen Krieg gegen Mehmed, den Eroberer Konstantinopels, auf und erlitt auf sich allein gestellt trotz taktischer Meisterleistungen eine Niederlage. Vlad saß zwischen allen Stühlen, musste zwischen allen Interessengruppen lavieren und konnte seine Herrschaft nur mit Autorität behaupten, vor allem durch die Ausschaltung seiner innenpolitischen Feinde. Die Vorstellung des Projekts bei der Frankfurter Buchmesse 2018 hat in den Medien für starke Resonanz gesorgt, zuletzt in einem Podcast des Bayerischen Rundfunks vom 10. Februar 2020 oder in der populärwissenschaftlichen Zeitschrift „Damals“ vom März 2020. Aktuelle Entwicklungen sind auf der Homepage https://www.uni-giessen.de/corpus-draculianum verzeichnet sowie auf der englisch- und rumänischsprachigen Facebook-Seite https://www.facebook.com/Documente.Vlad.Tepes.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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