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Regelung gliedelastischer Serialkinematiken mit multipelen Biegeebenen im Kontext einer sicheren, zuverlässigen und effizienten physischen Mensch-Roboter-Interaktion

Fachliche Zuordnung Automatisierungstechnik, Mechatronik, Regelungssysteme, Intelligente Technische Systeme, Robotik
Förderung Förderung von 2015 bis 2018
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 289939442
 
Erstellungsjahr 2018

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Die Armkörper strukturelastischer Roboter weisen geringe Massenträgheiten auf und sind durch ihre verteilt parametrische Elastizität inhärent sicher, sodass sie sich für sichere physische Mensch-Roboter-Interaktionen eignen. Andererseits führt ihre Nachgiebigkeit zu Schwingungen und lastabhängigen Verbiegungen. Diese vermeintlichen Nachteile können durch geschickte Regelung jedoch zum Vorteil genutzt werden, beispielsweise zur Kraftdetektion. Bisherige Arbeiten zu elastischen Roboterarmen zielen hauptsächlich auf Modellbildung, Schwingungsdämpfung und Bahnplanung ab, wobei zumeist nur eine Schwingungsebene betrachtet wird. Existieren mehrere Schwingungsebenen, wie es in realen Anwendungen üblich ist, wird die Steuerbarkeit der zugehörigen Schwingungen mittels vorhandener Aktoren fraglich. Hier setzt das Vorhaben mit dem Ziel der Entwicklung verschiedener Steuerbarkeitsmaße und der Regelung gliedelastischer Serialkinematiken mit multiplen Biegeebenen an. Zur Evaluation der Ergebnisse dient der für das Vorhaben entworfene, strukturelastische Roboterarm TUDORA mit drei Freiheitsgraden sowie zwei elastischen Armkörpern unter Gravitationseinfluss. Für die Analyse der konfigurationsabhängigen Steuerbarkeit struktureller Schwingungen werden drei Steuerbarkeitsmetriken einander gegenüber gestellt. Zur Herleitung der modalen Steuer- und Erreichbarkeit werden die Gleichungen der elastischen Bewegungen des betrachteten Roboterarms aufgestellt und anschließend auf den statischen Fall sowie die horizontale Ebene reduziert. Dies führt zu aufwendigen Berechnungen und dient lediglich der Vermeidung nicht-steuerbarer Roboterkonfigurationen. Der Einfluss von Kopplungen zwischen einzelnen Gelenk-Armkörper-Modulen steigt dabei nichtlinear mit der Nutzlast, während die zu vermeidenden Minima unabhängig von der Nutzlast sind. Dabei gefährden bereits zu kleine Werte eine Schwingungsdämpfung. Die angepasste modale Steuer- und Erreichbarkeit erweitert diese Metrik um Zentrifugal-, Coriolis- und Gravitationseffekte. Dies steigert die Komplexität der Berechnungen, ermöglicht jedoch die Berücksichtigung von Geschwindigkeiten und damit dynamischer Kopplungen. Eine wichtige Erkenntnis ist, dass die modale Steuerbarkeitsmetrik einen restriktiven Sonderfall der angepassten modalen Steuerbarkeitsmetrik darstellt. Alternativ wird die geometrische Steuerbarkeit struktureller Schwingungen untersucht. Diese berücksichtigt die Relativorientierungen aller Gelenkachsen zu allen Schwingungsebenen und erlaubt unabhängig von der Nutzlast eine eindeutige Zuordnung des Einflusses jedes Aktors auf jede Schwingung für die aktuelle Konfiguration. Die einhergehende Normierung des Steuerbarkeitsmaßes auf [0, 1] lässt eine roboter-unabhängige Festlegung des Schwellwertes zu. Bei Wahl geeigneter Schwellwerte entsprechen sich die ermittelten (nicht-)steuerbaren Konfigurationen der Ansätze. Dabei reduziert die geometrische Metrik den Rechenaufwand deutlich und beinhaltet zusätzliche Informationen, welche erstmalig zur Anpassung einer modellfreien Schwingungsdämpfung genutzt werden können. Alle aus der Literatur bekannten Maßen berechnen lediglich Indizes für die aktuelle Einflussmöglichkeit auf Schwingungen des Systems, sind jedoch nicht zur Regelkreisanpassung geeignet. Aufbauend auf der geometrischen Steuerbarkeit wird eine modellfreie adaptive Schwingungsdämpfung realisiert. Hierfür werden die entlang der Armstruktur gemessenen, mittelwertfreien Dehnungen ε˜ (t ) zurückgeführt und dem Aktor mit der jeweils größten Einflussmöglichkeit gemäß ihrer geometrischen Steuerbarkeit in der aktuellen Konfiguration zugeordnet. Zur Validierung dienen 13 Sprungantworten mit je 20 Wiederholungen im gesamten Arbeitsraum von TUDORA. Diese stellen jeweils eine zeitgleiche Bewegung aller Achsen dar und belegen den Erfolg des Konzepts zur schnellen schwingungsgedämpften Positionierung strukturelastischer Roboterarme mit mehreren Schwingungsebenen. Die Ergebnisse erlauben die Anwendung vorhandener datenbasierter sowie analytischer Ansätze zur Inverse-Kinematik-Regelung. Verschiedene Messreihen zur Evaluierung der schnellen und dennoch genauen Positionierung des Endeffektors werden derzeit aufgezeichnet. Soweit dem Antragsteller bekannt, fehlte in der Literatur bislang eine grundlegende Gegenüberstellung verschiedener Steuerbarkeitsmetriken hinsichtlich ihrer Eignung für strukturelastische Systeme. Selbiges gilt für robuste Regelungskonzepte, die mehrere Schwingungsebenen berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund leistet das Vorhaben einen signifikanten Beitrag zur Erweiterung des Forschungsstandes. Darüber hinaus sind die im Vorhaben gewonnenen Erkenntnisse zur Regelung serieller Kinematiken mit elastischen Armkörpern und mehreren Schwingungs- bzw. Biegeebenen auch auf Großraummanipulatoren, wie Betonpumpen, Hubwagen und Feuerwehrdrehleitern anwendbar. Gegenstand aktueller Arbeiten sind die Weiterentwicklung der Steuerbarkeitsmetriken zur Berücksichtigung des dynamischen Systemverhaltens mit vertretbarem Rechenaufwand und intuitiver Interpretationsmöglichkeit, sowie alternative Regelungskonzepte der Schwingungsdämpfung und Endeffektor-Positionierung. Mittelfristig wird zudem eine konstruktionstechnische Optimierung für sechs Freiheitsgrade erarbeitet, welche die Steuerbarkeit struktureller Schwingungen im gesamten Arbeitsraum maximiert.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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