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Evolutionäre Entwicklungsbiologie erregender Projektionsneuronen in Schaltkreisen zur Schalllokalisation bei Tetrapoden
Antragsteller
Professor Dr. Hans-Gerd Nothwang
Fachliche Zuordnung
Entwicklungsneurobiologie
Evolution, Anthropologie
Molekulare Biologie und Physiologie von Nerven- und Gliazellen
Evolution, Anthropologie
Molekulare Biologie und Physiologie von Nerven- und Gliazellen
Förderung
Förderung von 2016 bis 2022
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 290615881
Schalllokalisation ist eine primäre Aufgabe des Hörsinns. Das Prozessieren der entsprechenden Signale geschieht bei Tetrapoden zuerst in Schaltkreisen des Hirnstamms. Wichtige aktuelle Fragen betreffen die Entwicklung und Evolution dieser Schaltkreise. Höhere Säugetiere weisen drei Schaltkreise zur Schalllokalisation auf, deren Hauptprojektionsneurone VGluT2+ Zellen sind. Basierend auf ihrem gemeinsamen embryonalen Ursprung, ihrer Morphologie und ihrem Innervations- und Projektionsmuster schlug ich kürzlich vor, dass diese drei Populationen serielle Homologe mit Modifikationen darstellen. Die genetischen Programme, welche ihre Differenzierung steuern, sind unbekannt.Die vorherrschende Meinung bezüglich der Evolution dieser Schaltkreise bei verschiedenen Tetrapoden ist, dass sie unabhängig entstanden sind und Beispiele konvergenter Evolution darstellen. Diese Sicht gründet in anatomischen und physiologischen Unterschieden der Schaltkreise in verschiedenen Tetrapoden sowie der unabhängigen Entstehung des tympanischen Mittelohrs bei Vertebraten. Neuere Daten zeigten jedoch, dass zumindest einige auditorische Neurone bei Säugern und Vögeln, darunter auch VGluT2+ Zellen, von sich entsprechenden Zelllinien abstammen. Zumindest Teile dieser Schaltkreise könnten daher bei Tetrapoden homolog sein. In diesem Projekt werden wir eine vergleichende molekulare Entwicklungsbiologie und Bioinformatik verwenden, um die Entwicklung und Evolution dieser Schaltkreise bei Tetrapoden zu untersuchen. Zuerst werden die Transkriptome der verschiedenen murinen VGluT2+ Neurone am Postnataltag P0 und P25 durch RNA-seq bestimmt. P0 entspricht einem intermediären Entwicklungsstadium und P25 der terminalen Differenzierung. Die Expressionsprofile werden untereinander und mit einer weiteren VGluT2+ Population des auditorischen Hirnstamms verglichen. Anschließend erfolgen bioinformatische Analysen, um aus den Daten vorläufige genregulatorische Netzwerke (GRNs) zu erstellen. Dies wird i) Einblicke in das genetische Entwicklungsprogramm dieser Schaltkreise bei Säugetieren liefern, ii) die Differenzierungsprozesse identifizieren, über die serielle Homologe unterschiedliche Funktionen erhalten, iii) die molekulare Signatur dieser seriellen Homologen definieren, und iv) ihre genetische Ähnlichkeit bestimmen. Abschließend wird das Expressionsmuster von Schlüsselelementen dieser GRNs vergleichend in Maus und Huhn durch RNA in situ Hybridisierungen analysiert. Die daraus resultierenden Expressionskarten (die ersten ihrer Art) werden als wichtiger molekularer Bezugsrahmen dienen, um die Evolution dieser Schaltkreise zu klären. Insgesamt wendet dieses Projekt ein fundamentales Konzept der evolutionären Entwicklungsbiologie an, indem wir GRNs in Schaltkreisen zur Schalllokalisation in Säugern und Vögel bestimmen. Damit liefert es Schlüsselinformationen zur evolutionären Entwicklungsbiologie zentralauditorischer Strukturen. Diese Forschung stellt eine terra incognita dar.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen