Lattice Boltzmann Methode zur Simulation von Erstarrungsphänomenen bei der Herstellung geschäumter Werkstoffe
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Geschäumte Materialien weisen aufgrund ihrer zellularen Struktur attraktive Eigenschaften auf und stellen daher eine interessante Materialklasse dar. Schaumbildungsphänomene sind dennoch relativ wenig verstanden und die Schaumherstellung basiert im Wesentlichen auf dem Prinzip des Ausprobierens. Die numerische Simulation eröffnet hier neue Wege, grundlegende Phänomene bei der Schaumbildung zu erforschen und die daraus erwachsenen Erkenntnisse praktisch umzusetzen. Basis für das beantragte Projekt war eine am Lehrstuhl WTM entwickelte Software auf Grundlage der Lattice Boltzmann Methode (LBM) zur Simulation von Schaumbildungsvorgängen. Mit Hilfe der vorhandenen Software konnten bei Antragstellung bereits grundlegende Phänomene bei der isothermen Schaumbildung untersucht werden, z.B. Stabilisierungsprinzipien beim Schäumen von Metallen, das Altern aufgrund von Drainage, lawinenartige Koaleszenz- und Vergröberungsprozesse, topologische Umordnungsprozesse, etc. Die Möglichkeiten unserer Software gingen damals schon weit über die in der Literatur vorhandenen theoretischen Modelle (z.B. Vertex Modelle, direkte Methoden, Blasen-Blasen-Wechselwirkungsmodelle, etc.) hinaus, welche lediglich trockene, bereits expandierter Schäume erfolgreich beschreiben konnten und dynamische Phänomene fast völlig ausklammerten. Um den Schaum als zellularen Werkstoff verwenden zu können, muss seine Struktur eingefroren werden, d.h. Erstarrung ist notwendig. Die Erstarrung findet entweder nach der Expansion statt oder kann auch schon parallel zur Schaumbildung fortschreiten. Verschiedene Aspekte der Erstarrung beeinflussen die resultierende Struktur. Zum Beispiel beeinflusst das Temperaturfeld die Zersetzungsrate des Treibmittels und die Viskosität der Schmelze. Blasenwände können schon halb erstarrt sein während die zugehörige Blase in anderen Bereichen noch weiter expandiert. Um die Struktur realer Schäume besser verstehen zu können, ist deshalb die Simulation der Erstarrung notwendig. Ziel des Projektes war es, die vorhandene Methodik und Software weiterzuentwickeln, um Erstarrungsphänomene während der Schaumbildung erfassen zu können. Dazu musste ein LB Ansatz erarbeitet und implementiert werden, der die Wärmeleitung und die Erstarrung im entstehenden Schaum berücksichtigt. Arbeitsinhalte waren daher die physikalsiche Modellbildung, die Auswahl eines geeigneten LB Ansatzes, die Formulierung der Randbedingungen an den freien Oberflächen, die Implementierung des Phasenübergangs, etc. Die Verifikation erfolgte anhand von Aluminiumschäumen. Das zugrunde gelegte physikalische Modell ist eine Abstraktion des tatsächlichen Schaumbildungsprozesses. Das Zweiphasensystem Gas-Flüssigkeit wird auf ein Einphasensystem Flüssigkeit mit freien Oberflächen reduziert. Damit bleibt die Gasdynamik ungerücksichtigt. Berücksichtigt wird die Gasfreisetzung und die Gasdiffusion im flüssigen Metall, die Schwerkraft und die Kapillarkräfte. Die Stabilisierung des Schaum erfolgt über eine phänomenologische Kraft, den Disjoining Pressure. Es wird angenommen, dass der Wärmetransport nur über die Metallphase erfolgt, d. h. die Wärmeleitung des Gases und der Strahlungstransport wird vernachlässigt. Der Blasendruck ist über die ideale Gasgleichung an die Blasentemperatur gekoppelt, wobei die Blasentemperatur als Mittelwert der Blasenrandtemperatur ermittelt wird. Zur Lösung der makroskopischen Gleichungen verwenden wir eine Multi-Verteilungsfunktions-Methode. In jeder Zelle werden zwei Mengen von Verteilungsfunktionen definiert. Die Verteilungsfunktionen fi modellieren den Masse- und Impulstransport, wohingegen die Verteilungsfunktionen hi die zeitliche Veränderung der inneren Energie E erfassen. Auf methodischer Seite sind zwei neue Algorithmen entstanden. Dies ist zum einen eine Methode zur Simulation von Benetzungsvorgängen. Zum anderen wurden völlig neue Wege zur Realisierung der hydrodynamischen und thermischen Randbedinungen an den freien Oberflächen beschritten: • Benetzung Die Beschreibung von Benetzungsvorgängen war ursprünglich im Arbeitsplan nicht vorgesehen. Bei der Projektbearbeitung hat sich aber sehr schnell die Notwendigkeit dafür herausgestellt, da bei der Erstarrung die noch flüssige Phase im direkten Kontakt zur festen Phase steht. Hier haben wir einen Ansatz entwickelt, der sowohl statische als auch dynamische Benetzungsvorgänge sehr gut beschreibt. • Randbedingungen an den freien Oberflächen Das eigentliche Ziel des Projektes war es, eine geeignete Formulierung der thermischen Randbedingungen bzw. einen Rekonstruktionsalgorithmus für die fehlenden Verteilungsfunktionen hi am Rand zu erarbeiten. Dabei ist nun ein viel allgemeinerer Ansatz entstanden. Unser strombasierter Rekonstruktionsalgorithmus gibt sowohl für das hydrodynamische als auch für das gekoppelte hydrodynamische-thermische Problem sehr gute Resultate. Die Simulationsergebnisse zeigen, dass viele im Realschaum beobachteten Phänomene, deren Ursache man nur sehr wenig verstanden hatte, durch die Simulation wiedergegeben werden. Dazu gehören zerissene Zellwände, Öffnungen an der Schaumoberfläche, kantige Porenstrukturen, völlig kollabierte Schaumstrukturen, etc. Da mit der numerischen Simulation die Entstehung der Defekte beobachtet werden kann, steht nun ein wertvolles numerisches Werkzeug zur Verfügung, die Ursachen von Strukturfehlern in den Schäumen zu verstehen und mit diesem Wissen Schaumherstellungsprozesse zu verbessern. Eine Hauptaufgabe für die Zukunft ist es, den eigentlichen Stabilisierungsmechanismus des Schaums detaillierter zu modellieren. Um beispielsweise zu immer feineren Metallschäumen zu gelangen, deren Porengröße im Mikrometerbereich liegt, muss die Wirkungsweise von stabilisierenden Zusätzen (in der Regel sind das Partikel) besser verstanden werden. Bisher erhält der Schaum seine Stabilität durch eine phänomenologische Kraft, dem Disjoining Pressure. Die Höhe dieser Kraft geht als Parameter in das Modell ein. Um aber in Zukunft die Stabililierungsmechanismen besser zu verstehen und damit die Schaumbildungsprozesse besser zu kontrollieren, muss die Stabilisierung ein Ergebnis des physikalischen Modells sein. Der Übergang zu einem dreidimensionalen Modell ist sicher auch ein weiterer wichtiger Schritt, um Phänomene richtig abbilden zu können, die nur im Dreidimensionalen auftreten. Da der numerische Aufwand dazu extrem ansteigt, ist dieser Schritt nur durch Parallelisierung des Codes zu erlangen.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- Lattice Boltzmann method for dynamic wetting problems. Journal of Colloid and Interface Science 335 (2009) 84-93
E. Attar, C. Körner
- Lattice Boltzmann model for thermal free surface flows with liquid-solid phase transition. Int. J. Heat and Fluid Flow, International Journal of Heat and Fluid Flow 32 (2011) 156–163
E. Attar, C. Körner