Pflanzlicher Pyrrolizidin-Alkaloide in der chemischen Verteidigung von Nachtfaltern (Arctiiden): Bildung und Funktion Insekten-spezifischer Alkaloide
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Einige Nachtfalter-Arten aus der Familie der Arctiiden nutzen Pflanzen, die giftige Pyrrolizidin-Alkaloide (PAs) bilden, als „Drogenquelle". Sie nehmen die PAs aus der Pflanze auf und nutzen sie zur Abwehr ihrer Feinde und zum Schutz ihrer Gelege. Nicht alle der mehr als 350 bekannten PAs können nach Aufnahme durch Arctiiden-Larven sicher gespeichert und nach Verpuppung an die adulten Falter weitergegeben werden. Im vorliegenden Projekt wurde die Hypothese überprüft, ob PAs, die auf Grund ihrer chemischen Struktur nicht unverändert vom Raupenstadium über die Puppe bis in das Adultstadium transportiert werden können, durch die sogenannten „Insekten-PAs" ersetzt werden. Insekten-PAs sind Alkaloide, die nach Spaltung der Pflanzenalkaloide im Insekt durch Veresterung der Alkaloidbase pflanzlicher Herkunft mit einer insekteneigenen Säure gebildet werden. Sie entsprechen den Pflanzen-PAs, es wurden lediglich die „Pflanzensäuren" im kompletten Esteralkaloid gegen „Insektensäuren" ausgetauscht. Die Insekten-PAs werden entsprechend ihrer Struktur als Creatonotine und Callimorphine bezeichnet. Im Rahmen des Projekts wurde die bisher nicht bekannte absolute Konfiguration beider Alkaloid-Typen aufgeklärt. Die „Umesterungs- Hypothese" wurde durch gezielte Verfütterung bestimmter pflanzlicher PAs und PA-Gemische an Larven des in Nordamerika beheimateten Arctiiden Grammia geneura überprüft. Die Fütterungsversuche wurden in Kooperation mit Mike Singer (Weseyan Univ. Middletown, CT, USA) durchgeführt. Die noch nicht komplett ausgewerteten Daten bestätigen unsere Hypothese. Alle pflanzlichen PAs, die zwar von Larven aufgenommen aber nicht per se über das Puppenstadium in den adulten Falter übermittelt werden können, müssen für einen Transport von Metamorphosestadium zu Metamorphosestadium im Insekt zu Callimorphinen bzw. Creatonotinen umgeestert werden. Dies zeigt eindrucksvoll, wie angepasste Insekten die aus der Pflanze aufgenommen Alkaloide nicht nur sicher speichern und transportieren können, sondern wie sie auch mit offensichtlich nicht tolerierbare Alkaloide sich durch eigene Prozessierung nutzbar machen können. Sie sind damit in der Lage die breite Strukturvielfalt pflanzlicher PAs in vollem Umfang für ihren eigenen Schutz einzusetzen.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- (2007) Absolute configuration of the creatonotines and callimorphines, two classes of arctiid-specific pyrrolizidine alkaloids. Insect Biochem. Mol. Biol. 37, 80-89
Beuerle, T., Theuring, C., Kiewer, N., Schulz, S. , Hartmann, T.
- (2007) Ceroplastes albolineatus, the first scale insect shown to sequester pyrrolizidine alkaloids from its host-plant Pittocaulon praecox. Chemoecology 17, 109-115
Marin-Loaiza, J.C, Cespedes, C.L., Beuerle, T., Theuring, C., Hartmann T.
- (2007) From waste products to ecochemicals: fifty years research in plant secondary metabolism. Phytochemistry 68, 2831-2846
Hartmann T.
- (2007) Pyrrolizidine alkaloids and pharmacophagous lepidoptera visitors of Prestonia amabilis (Apocynaceae) in a montane rainforest in Ecuador. Ann. Missouri Bot. Gard. 94. 463-473
Brehm, G., Hartmann, T., Willmott, K.
- (2008) Defense by pyrrolizidine alkaloids: developed by plants and recruited by insects. In: Induced Plant Resistance to Herbivory (A. Schaller, ed.) pp. 213-229, Springer Science
Hartmann, T., Ober, D.
- (2008) Pyrrolizidine alkaloids of the endemic Mexican genus Pittocaulon and assignment of stereoisomeric 1,2-saturated necine bases. Phytochemistry 69, 154-167
Marin-Loaiza, J.C, Ernst, L. Beuerle, T., Theuring, C., Cespedes, C.L., Hartmann T.
- (2008) The lost origin of chemical ecology in the late 19th century. Proc. Nat. Acad. Sci. USA 105, 4541-4546
Hartmann, T.
- (2009) Pyrrolizidine alkaloids: the successful adoption of a plant chemical defense. In: Tiger Moths and Woolly Bears - Behavior, Ecology and Evolution of the Arctiidae. W. E. Conner, ed.) pp. 55-81. Oxford University Press, New York
Hartmann, T.