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SFB 761:  Stahl - ab initio. Quantenmechanisch geführtes Design neuer Eisenbasis-Werkstoffe

Fachliche Zuordnung Materialwissenschaft und Werkstofftechnik
Chemie
Maschinenbau und Produktionstechnik
Physik
Förderung Förderung von 2007 bis 2019
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 29898171
 
Erstellungsjahr 2019

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Im Sonderforschungsbereich 761 „Stahl ab initio – Quantenmechanisch geführtes Design neuer Eisenbasis-Werkstoffe“ haben Naturwissenschaftler und Ingenieure der RWTH Aachen und des Max-Planck-Instituts für Eisenforschung an der mechanismengesteuerten Werkstoffentwicklung am Beispiel von hoch Mangan-legierten Stählen geforscht. Von 2007 bis 2019 wurden in insgesamt 55 Teilprojekten und 5 Transferprojekten mit industrieller Beteiligung (Laufzeit teilweise bis 2021) Themen zum Werkstoff- und Prozessdesign sowie zur Werkstoffcharakterisierung bearbeitet. Die Idee des Sonderforschungsbereichs bestand darin, eine methodisch neue Vorgehensweise für das Design von Strukturwerkstoffen zu erarbeiten. Seit Mitte der 1990er Jahre waren beträchtliche Fortschritte bezüglich Modellierung und Messtechnik erzielt worden, sodass eine systematische wissensbasierte Entwicklung der besonders anspruchsvollen neuen Werkstoffgruppe der hoch Mangan-legierten Stähle angegangen werden konnte. Bei diesen hoch Mn Stählen (bis zu 30 Gew.-% Mn) werden außergewöhnliche Phänomene bei der plastischen Verformung beobachtet und darauf basierend außergewöhnliche Eigenschaftskombinationen erzielt. Als zentrale wissenschaftliche Arbeitshypothese wurde angenommen, dass insbesondere die Stapelfehlerenergie die Verformungsmechanismen steuert. Die Stapelfehlerenergie diente somit als Parameter für die Entwicklung von Prozessen und Werkstoffen, sie ist experimentell zugänglich und kann auch mit modernen ab initio Methoden berechnet werden. Die Herausforderung war insofern die Kombination von naturwissenschaftlichen Theorien, die allein auf physikalischen und chemischen Kenngrößen basieren, mit ingenieurwissenschaftlich etablierten Konzepten der Werkstofftechnik. Die beteiligten Forscher aus verschiedenen ingenieurwissenschaftlichen Disziplinen, aus der Physik und aus der Chemie haben Modelle und Methoden von der atomistischen bis zur makroskopischen Skala entwickelt und angewendet. Das wissenschaftliche und technische Interesse für hoch Mn Stähle ist in den letzten Jahren deutlich gewachsen. Aktuelle Überlegungen sehen vor, die in rein austenitischen hoch Mn Stählen beobachteten Verformungsmechanismen (SLIP: dislocation slip, TRIP: Transformation Induced Plasticity, TWIP: TWinning Induced Plasticity, MBIP: MicroBand Induced Plasticity) auf ein mehrphasiges austenitisch/martensitisches Gefüge in mittel Mn Stählen zu übertragen. Dies verspricht neben geringeren Legierungskosten durch niedrigere Mangangehalte vor allem eine einfachere Integration dieser Werkstoffe in die derzeitige industrielle Infrastruktur. Zugleich kann das Eigenschaftsprofil in einem weiten Bereich an Bauteilanforderungen angepasst werden. Gemeinsam ist allen neuen Stahlkonzepten der sogenannten „Advanced High Strength Steels“ (AHSS 1., 2., 3. Generation) eine kontrollierte Gefügeeinstellung auf der Nanometerskala. Wichtige Ergebnisse des SFB sind, dass mit anspruchsvollen Simulationsmethoden, z. B. ausgehend von ab initio Berechnungen, ein grundlegendes Verständnis zum Auftreten der verschiedenen Verformungsmechanismen und der daraus abgeleiteten Werkstoffeigenschaften erreicht werden kann. Der SFB hat mit neu entwickelten Charakterisierungsmethoden, z.B. durch Kombination von REM-, TEM- und APT-Untersuchungen, neue Erkenntnisse zur Nanostrukturierung von Gefügen und lokalen Segregationsphänomenen der Legierungsund Begleitelemente ermöglicht. Experimentell konnten verschiedene Prozessketten bis zur Darstellung eines Demonstratorbauteils bewertet und Potenziale für die Anwendung der neuen Stahlgruppen aufgezeigt werden. Im Rückblick auf 12 Jahre intensiver Zusammenarbeit kann festgestellt werden, dass es gelungen ist, Modellierungsansätze auf unterschiedlichen Skalen bis hin zu ab initio Methoden für die Entwicklung einer neuen Klasse von metallischen Strukturwerkstoffen zu nutzen. Aus heutiger Sicht sind diese Ansätze sowie die Weiterentwicklung der Charakterisierungsmethoden zwingend erforderlich für das Design von auf der nm-Skala strukturierten Werkstoffen und das Verständnis der hier autretenden metallkundlichen Phänomene. Es wird ein großes Potenzial für die zukünftige Entwicklung von neuen Eisenbasis-Werkstoffen gesehen.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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