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Änderungen der Netzhaut-Antworten in Abhängigkeit der Hintergrundhelligkeit: Phänomen und Mechanismen

Antragsteller Dr. Thomas Münch
Fachliche Zuordnung Kognitive, systemische und Verhaltensneurobiologie
Förderung Förderung von 2016 bis 2020
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 299051345
 
Der Intensitätsumfang von Umweltsignalen (z.B. Helligkeit) ist gewöhnlich viel größer als der Operationsbereich der entsprechenden Sinneszellen (z.B. Fotorezeptoren). Eine grundlegende Eigenschaft aller Sinnesorgane ist daher ihre Fähigkeit zur Adaptation, um nur einen begrenzten Umfang der Umweltsignale abzudecken, dafür aber Informationen innerhalb dieses Bereichs mit höherem Detailgrad zu übermitteln.In der Regel verbindet man den Begriff Adaptation damit, dass dadurch die Aktivität und das Kodierungsverhalten von Neuronen über sich ändernden Bedingungen hinweg beibehalten werden können. So würde man im Sehsystem erwarten, dass ein bestimmtes Ereignis stets sehr ähnlich durch neuronale Aktivität repräsentiert wird, unabhängig davon, ob es in der Dämmerung oder zur Mittagszeit passiert. Entsprechend werden Ganglienzellen, die das Auge mit dem Gehirn verbinden, oft als "ON-Zellen" oder "OFF-Zellen" charakterisiert (d.h. sie antworten auf das Ereignis "Hellerwerden" bzw. "Verdunkeln"), als "X-Zellen" oder "Y-Zellen" (mit linearer bzw. nicht-linearer räumlicher Integration), als "transient" oder "sustained" (mit unmittelbaren bzw. länger anhaltenden Antworten). Wir zeigten in einer jüngst erschienenen Studie (Tikidji-Hamburyan et al, Nature Neuroscience 2015), dass diese Klassifizierungen die Realität nur ungenügend widerspiegeln. Selbst grundlegende Antworteigenschaften von Ganglienzellen (z.B. ON vs. OFF) sind nicht fixiert, sondern hängen von der Umgebungshelligkeit ab. Hier findet man also trotz Adaptation weitreichende qualitative Änderungen des Netzhaut-Outputs. Unsere Studie stellt eine überraschende Abweichung von der traditionellen Ganglienzellcharakterisierung dar. Dies erfordert ein Umdenken über die Signalverarbeitung in der Netzhaut und hat Auswirkungen auf unser Verständnis der visuellen Verarbeitung allgemein. Das vorgelegte Projekt untersucht die Interaktionen und Mechanismen, die diesen überraschenden helligkeitsabhängigen Antwortänderungen der Netzhaut zu Grunde liegen. Mit elektrophysiologischen Ableitungen (Patchclamp und Multielektroden) durchleuchten wir Wechselwirkungen zwischen Nervenschaltkreisen und den Output der Netzhaut auf Lichtreize bei unterschiedlichen Helligkeitsbedingungen, ergänzt durch pharmakologische Manipulationen und immunohistologische Charakterisierung von synaptischen Verschaltungen. Insbesondere verfolgt das Projekt folgende Ziele: (1) Was ist die detaillierte Beziehung zwischen Helligkeit und Antworteigenschaften der Netzhaut? (2) Was sind die synaptischen Interaktionen, die Mechanismen, die den helligkeitsabhängigen Antwortänderungen zu Grunde liegen? (3) Wo liegt der Ursprung der ON Antworten, die wir regelmäßig in OFF Zellen beobachten? Über die spezielle Frage der helligkeitsabhängigen Signalverarbeitung in der Netzhaut hinaus wird dieses Projekt auch unser allgemeines Verständnis zur Signalverarbeitung und den Wechselwirkungen zwischen den etwa zwei Duzend Netzhautschaltkreisen voranbringen.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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