Vulkanismus am Henry Seamount, westliche Kanarischen Inseln: rezente Aktivität oder Frühphase des Kanaren-Hotspots?
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Henry Seamount südöstlich der Kanareninsel Et Hierro ist ein erloschener Unterwasservulkan mit 10 km Durchmesser, der sich von 3700 m Tiefe aus 660 m über dem Meeresboden erhebt. Während der METEOR-Ausfahrt M66/1 in 2005 wurde der Seamount durch Dredgen beprobt; die geborgenen Proben umfassten u.a. weiches Sediment mit Muschelschalen und trachytischem Vulkangestein sowie einen massiven Baryt-Block mit aufgewachsener Tiefsee Koralle. 39Ar/40Ar Altersdatierungen der Trachytproben ergaben kretazische Alter von 124-126 Millionen Jahren (Ma), viel älter als die ältesten Gesteine der Kanarischen Inseln. Damit scheint Henry Seamount nicht im Zusammenhang mit dem Kanaren-Hotspot entstanden zu sein; vielmehr handelt es sich um einen solitären kleinen Vulkan ("petit spot"), wie sie zu Tausenden in den Weltmeeren auftreten. Ein Zusammenhang mit dem Vulkanismus am Mittelatlantischen Rücken kann aufgrund des Alters und der chemischen Zusammensetzung der Gesteine ausgeschlossen werden. Obwohl Henry Seamount als längst erloschen anzusehen ist, geben die Proben deutliche Hinweise auf rezente Austritte von Fluiden: 1) Der beprobte Baryt-Block ist aus petrologischen und geochemischen Gründen eindeutig durch rezente fokussierte Austritte von Barium-reichen Fluiden am Meeresboden entstanden. Er ist nur wenig älter als die aufgewachsene, mit 14C zu 41000 Jahren datierte Tiefseekoralle. 2) Die Trachyte enthalten bis zu mehreren Prozent fein verteilten Baryt, eindeutig eine Folge von Fluid-Überprägung. 3) Hohe Schwefel- und Sauerstoff-Isotopenverhältnisse des Baryts und der Baryt-überprägten Trachyte sind ein typisches Merkmal bakterieller Sulfat-Reduktion, die residuales Sulfat isotopisch schwerer werden lässt. Durch Reaktion mit austretenden Barium-reichen Fluiden entsteht isotopisch schwerer Baryt. 4) Die geborgenen Muschelschalen (14C- Datierungen: 3400 und 18600 Jahre) gehören zur Gattung Abyssogena, die in Symbiose mit Sulfatreduzierenden Bakterien lebt und nur im Bereich von hydrothermalen oder kalten Quellen anzutreffen ist. Dies ist der erste dokumentierte Fund solcher Muscheln im Bereich der Kanarischen Inseln. Die geringe Alteration der Trachyte und die chemische Zusammensetzung des Baryts sprechen für niedrige Temperaturen der ausgetretenen Fluide, maximal einige 10 °C. Wir vermuten, dass Henry Seamount innerhalb der sedimentbedeckten impermeablen Umgebung ein effektives "Atemloch" für hydrothermale Fluidzirkulation darstellt ("hydrothermaler Siphon"), ein Prinzip, dass bereits für Seamounts anderer getektonischer Situationen beschrieben wurde. Nach unserem Modell dringt Meerwasser durch die Flanke der vulkanisch aktiven Nachbarinsel El Hierro in die obere jurassische Ozeankruste ein. Hier migriert das Wasser entlang von Aquiferen innerhalb der Kruste und wird dabei erwärmt, da der Wärmefluss aufgrund des Kanaren-Hotspots viel größer ist als für normale jurassische Ozeankruste. Da Henry Seamount die einzige Öffnung innerhalb der impermeablen Sedimentschicht darstellt, kann das erwärmte Wasser dort wieder austreten. Sollte unser Modell für Henry Seamount zutreffen, wäre dies der erste Nachweis hydrothermaler Fluidaustritte an alten erloschenen Seamounts des Atlantik.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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(2006) Henry Seamount, Western Canary Islands: Old Structure or Recently Active Volcano? SBN Workshop (Seamount Biogeosciences Network), 24.-25.3.2006, La Jolla, USA, Workshop Volume, 58-41
Klügel A, Hansteen TH
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(2007) Fluid venting at a Cretaceous seamount, Canary Archipelago. Goldschmidt Conference Abstracts 2007, A496
Klügel A, Hansteen TH, Bogaard Pvd, Strauss H