Entwicklung einer Methode zur Bewertung der Arten- und Biotopvielfalt (Biodiversität) in Ökobilanzen am Beispiel biogener Kraftstoffe
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Für die Beurteilung potenzieller Wirkungen von Biokraftstoffen und anderen Biomasseprodukten auf die Umwelt liegt eine Vielzahl von Ökobilanzstudien vor. Die kritisch diskutierten Wirkungen auf die biologische Vielfalt durch den intensiven Anbau von Energiepflanzen fehlen in den entsprechend den DIN EN ISO-Normen 14040/14044 (2006) durchgeführten Studien jedoch weitgehend aufgrund bestehender grundlegender inhaltlicher und methodischer Defizite. Diese waren Anlass zur Erarbeitung eines neuen methodischen Ansatzes zur Abschätzung der Umweltwirkungen von Biokraftstoffen auf die Biodiversität durch das vorliegende Grundlagenprojekt. Als zentrale Forschungsfrage galt es dabei zu klären, wie die für die Beurteilung von Biodiversitätsveränderungen zwingend erforderlichen räumlichen Bezüge in Ökobilanzen integriert werden können, die typischerweise räumlich unspezifisch angelegt sind. Entwickelt wurde ein an die Umweltplanung angelehntes methodisches Konzept, mit dessen Hilfe die Veurrsacher- (pressure) und Betroffenenseite (state/impact) so operationalisiert werden, dass in der Gesamtschau abstrakte Aussagen für Ökobilanzen auf Bundesebene getroffen werden können. Dieses methodisch neue Vorgehen zeichnet sich gegenüber bisherigen Arbeiten insbesondere durch folgende Merkmale aus: • Ziel und Untersuchungsrahmen werden maßgeblich durch ein Mengenziel definiert. • Modellkulturen bilden die Gmndlage für die Operationalisierung der Veursacherseite im Rahmen der Sachbilanz durch agrarstatistische Daten auf nationaler Ebene (pressure-Indikatoren). • Die Operationalisiemng der Betroffenenseite im Rahmen der Wirkungsabschätzung erfolgt durch state/impact-Indikatoren für die drei Wirkebenen Fläche, Umgebung und Landschaft (sowie funktional darüber hinausgehende Bezüge). • Die Charakterisierung der Wirkungsindikatoren erfolgt unter Einbeziehung normativer Werturteile, ohne die die hier relevante Selektion und Einordnung des Status Quo bzw. dessen Veränderungen nicht abbildbar sind. • Die Indikatoren werden mit Hilfe eines Geografischen Informationssystems räumlich differenziert abgebildet. • Mittels Szenariotechnik werden Veränderungen der Biodiversität gegenüber dem Status Quo in zwei Varianten abgeschätzt, die als Grundlage für ökobilanzbasierte Entscheidungen dienen können. Der Methodenentwurf wurde am Beispiel Bioethanol aus Weizen konkretisiert und exemplarisch umgesetzt. Kernstück war dabei die Operationalisierung der Wirkungsindikatoren (pressure-, state/impact-Indikatoren) sowie ihre Anwendung mit den vorhandenen Datengrundlagen. Damit ist es gelungen, ein Verfahren zu entwickeln, das auf Bundesebene (Bundesrepublik Deutschland) angewendet werden kann, ohne flächenkonkret vorzugehen und dennoch den für die Biodiversität notwendigen Bezug zu unterschiedlichen räumlichen Ausprägungen herstellt, indem es Wirkungen auf unterschiedlichen räumlichen Maßstabsebenen summiert. Dieses methodisch neue Vorgehen zeigt damit im Ansatz einen Weg auf, wie eine Transformation von räumlichem Wissen über Biodiversität in die räumlich unspezifische Ökobilanz gelingen kann. Das maßgebliche Projektziel ist damit im Sinne von „Pathfinding" voll erreicht worden. Die Ergebnisse der Anwendung lassen folgende Schlüsse zu: Es kann ein maximal erreichbares Biofuel-Ziel durch heimische Biomasseerzeugung auf Bundesebene nur dann ohne erhebliche Wirkungen auf die Biodiversität umgesetzt werden, wenn gleichzeitig die unteren Ebenen (Länder, Landkreise, Städte und Gemeinden) die Feinsteuemng in der Fläche optimieren (können) und das Instrumentarium dafür bereitsteht. Das maximal erreichbare Biofuel-Ziel wird systematisch überschätzt, wenn keine Daten der unteren Entscheidungsebenen einbezogen werden können. Dieses scheitert derzeit an uneinheitlicher Klassifizierung und Bewertung der Biotoptypen in den Ländern. Die räumlichen Differenziemngen auf Bundesebene lassen erkennen, dass Biofuel-Ziele ggf regionalisiert werden können. Es sind Weiterentwicklungen u. a. in folgenden Bereichen denkbar: Anpassung und Erweiterung der Methode für die Anwendung auf andere Biomasseprodukte, landwirtschaftliche Produkte oder Anbauweisen, andere räumliche Bezugsebenen, Erweiterung der Indikatoren und der Datenbasis; softwaretechnische Ausgestaltung und Übertragung des Konzepts auf andere Umweltwirkungen in der Ökobilanz, die einen Raumbezug implizieren.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- (2007): Analyse der Ökobilanz als Methode zur Beurteilung von Auswirkungen des landwirtschaftlichen Anbaus für Biokraftstoffe auf die Biodiversität. Landbauforschung Völkenrode 57 (4): 419-427
Urban, B., Krahl, J., Munack, A., Kanning, H., Haaren C.v.
- (2008): Biologische Vielfalt in Ökobilanzen. Konzept für eine methodische Integration am Beispiel biogener Kraftstoffe. Naturschutz und Landschaftsplanung 40 (12): 409-14
Urban, B., Haaren C.v., Kanning, H., Krahl, J., Munack, A.
- (2009): Biologische Vielfalt in Ökobilanzen - vom Konzept zur Umsetzung. In: Feifei, S., Walk, W., Wursthorn, S. und Schebek, L. (Hrsg.): Ökobilanzierung 2009 - Ansätze und Weiterentwicklungen zur Operationalisierung von Nachhaltigkeit. 139-144, KIT Scientific Publishing, Karlsruhe
Urban, B.