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Eine Literaturgeschichte des Gemeinwohls: Literatur, Ökonomie und Staat in Großbritannien, 1776-1911
Antragsteller
Professor Dr. Benjamin Kohlmann
Fachliche Zuordnung
Europäische und Amerikanische Literatur- und Kulturwissenschaften
Förderung
Förderung von 2016 bis 2017
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 310603957
Ausgehend von Adam Smiths klassischen Überlegungen zum Verhältnis von Eigeninteresse und Gemeinwohl untersucht das Projekt Wechselwirkungen zwischen literarischen und ökonomischen Diskursen in Großbritannien im sogenannten langen neunzehnten Jahrhundert. Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei der Krise der liberalen ökonomischen Ordnung in der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts sowie der theoretischen Konzeptualisierung und institutionellen Herausbildung des interventionistischen Staats nach 1870. In diesem Zeitraum, so die Leitthese des Projekts, unterliegen Vorstellungen von dem Verhältnis von ökonomischem Eigeninteresse und gesellschaftlichem Gemeinwohl tiefgreifenden Veränderungen. So wandeln sich etwa zentrale Wertvorstellungen des ökonomischen Liberalismus Smithscher Prägung zu einem Gesellschaftsmodell, das die problematischen Implikationen von ökonomischem Egoismus in den Vordergrund rückt und das gleichzeitig stärker am Wohl der Gesamtbevölkerung orientiert ist. Mit dieser Normverschiebung setzt auch eine Neudefinition der Rolle des Staats ein: Zuvor als unsichtbarer Garant einer bürgerlich-liberalen Ordnung verstanden, gilt er nun als aktiv in das Leben seiner Bürger eingreifende Instanz. Gestützt auf aktuelle Arbeiten aus der Wirtschafts- und Sozialgeschichte fragt mein diskursanalytisch orientiertes Projekt, auf welche Weise diese historischen Prozesse Niederschlag in der Literatur ihrer Zeit fanden. Auf der Grundlage ausgedehnter Archivarbeiten in England und den USA rekonstruiere ich die komplexen Netzwerke, die Autoren, Philosophen und (Sozialstaats-)Ökonomen miteinander verbanden. Literarische Autoren, denen in meiner Habilitation eine Schlüsselrolle zukommt, sind Harriet Martineau, George Eliot, George Gissing, Edward Carpenter, H.G. Wells und E.M. Forster. Ein besonderes Interesse gilt der Literarisierung und Popularisierung moralischer und ökonomischer Grundannahmen in den Werken dieser Autoren; gleichzeitig ist auch die Rolle literarischer Tropen und Erzähltechniken in den Werken von Ökonomen und Moralphilosophen Gegenstand der Untersuchung.
DFG-Verfahren
Forschungsstipendien
Internationaler Bezug
Großbritannien
Gastgeber
Dr. Matthew Taunton