Der erste 'Baedeker' von Berlin. Die Stadtbeschreibung von Johan Heinrich Gerken 1714-1717
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Gerkens Stadtbeschreibung von Berlin war die umfangreichste ihrer Zeit und zugleich die erste, die ausschließlich der ganzen Stadt gewidmet war. In der Fülle der Informationen über den Zustand der Stadt bis zum Jahr 1717 liegt zweifellos ihr größter Wert. Meist dürfte Gerken seine Informationen durch Inaugenscheinnahme gewonnen haben, womit er ein unhintergehbares Zeugnis schuf. Von den meisten Städten im Reich lagen bis zum Anfang des 18. Jahrhunderts keine größeren Beschreibungen im Druck vor und ein Vergleich mit den wenigen erschienenen lässt erkennen, wie ambitioniert Gerkens Vorhaben war: Was Umfang und Ausstattung mit Illustrationen anbelangt, ist sein Werk ehrgeizig zu nennen, an Wissenschaftlichkeit rangiert es über den Standards der Zeit. Unüblich war es, ein solches Werk ohne Auftraggeber zu beginnen, wie es Gerken tat. Der Autor konnte seine Stadtbeschreibung von den vorgesehenen 28 Grafiken mit höchstens zwei Kupferstichen illustrieren, sechs weitere gelangten erst später in das Manuskript. Für die Edition wurde diese um die fehlenden Ansichten ergänzt, wobei auch zutage trat, dass es damals grundsätzlich an aktuellen und aussagekräftigen Bildquellen zur Residenzstadt mangelte. Lücken im Text zeugen von Gerkens hohen wissenschaftlichen Ansprüchen wie von den Schwierigkeiten bei der Beschaffung von relevanter Literatur. Die Stadtbeschreibung ist als Rundgang organisiert, beginnend beim Zentrum der weltlichen Macht, dem Schloss: Im ersten Manuskript hinterließ Gerken ausgerechnet hier eine Leerstelle, die er im anderen Manuskript durch eine verzweifelt wirkende Aneinanderreihung von literarischen und grafischen Fundstücken zu füllen versuchte. Mit der Autopsie als wichtigstem Werkzeug war der Autor hier an eine Grenze gestoßen: Aufgrund seines Standes oder fehlender Beziehungen zum Hof bekam er keinen Zutritt zum Schloss und das Äußere des Baus blieb ihm wegen anhaltender Bauarbeiten oder mangelhafter Kenntnis architektonischer Fachbegriffe unbeschreiblich. Zur entscheidenden höfischen Gesellschaft hat er offensichtlich keinen Kontakt knüpfen können und so auch keinen Gönner gefunden, der ihm einen Schlossbesuch, die Vollendung des Werks und eine Drucklegung ermöglicht hätte. Allerdings hatte Gerken Zugang zu anderen höfischen Bereichen wie der königlichen Bibliothek, dem Marstall oder dem Zeughaus. Unterschiedliche Sphären und Grade des Höfischen oder Bürgerlichen in der Residenzstadt werden daraus ersichtlich. Im Laufe des 18. Jahrhunderts zirkulierten Gerkens Manuskripte dann unter den Berliner Gelehrten, die sich für ihre Stadtbeschreibungen daraus ohne Kennzeichung bedienten, ohne Urtext oder Autor zu erwähnen. Die vorliegende Edition ermöglicht jetzt, in deren Stadtbeschreibungen die Übernahmen aus Gerkens Werk zu identifizieren und entsprechend früher zu datiern.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Der erste ,Baedeker‘ von Berlin. Die Stadtbeschreibung von Johan Heinrich Gerken 1714–1717. In: Mitteilungen der Residenzen-Kommission der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen; NF Stadt und Hof 5 (2016), S. 23–39
Peter Michael Hahn; Thomas Fischbacher
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Der erste „Baedeker“ von Berlin. Die Stadtbeschreibung von Johan Heinrich Gerken 1714–1717 (= Schriften zur Residenkultur; 13). Berlin 2021
Thomas Fischbacher; Peter-Michael Hahn (Hrsg.)