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Implikationen aktueller Ergebnisse der Neurowissenschaften für das (rechts)ethische Verständnis individueller Verantwortlichkeit

Fachliche Zuordnung Praktische Philosophie
Förderung Förderung von 2006 bis 2010
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 31128272
 
Erstellungsjahr 2011

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Primärer Untersuchungsgegenstand war das Konzept individueller Verantwortung vor dem Hintergrund aktueller Erkenntnisse der Hirnforschung. Sekundär ergab sich damit die Notwendigkeit, auch den Begriff der Willensfreiheit sowie den der Strafe zu untersuchen. Im Folgenden sollen stichwortartig die wichtigsten Ergebnisse des Projekts noch einmal zusammengefasst werden. • Verantwortung ist zum einen als Rechtfertigungsverantwortung zu verstehen, die als solche von der Willensfreiheit und damit den die Handlungstheorie berührenden Aussagen der Hirnforschung unabhängig ist. Zum anderen ist Verantwortung im Sinne einer Schuld- bzw. Haftungsverantwortung aufzufassen und mit Strafe (Intervention) verbunden. Auf dieser Ebene wird Verantwortung von der Frage nach der Willensfreiheit tangiert. Es ist - mit anderen Worten - nicht möglich, von der Verantwortung als einem in sich geschlossenen Konzept zu sprechen. • Es existieren verschiedene Theorien zur Rechtfertigung von Strafe bzw. - in der Terminologie des Projekts - der Rechtfertigung einer Zurechnung von mit Interventionen verbundener Haftungsverantwortung. • In der Diskussion um die Existenz von Willensfreiheit gibt es zahlreiche verschiedene Auffassungen sowohl zur Begründung eines als auch zum Begriff des freien Willens. Die unterschiedlichen Theorien der Strafrechtfertigung verlangen unterschiedlich >starke< Freiheitstheorien. • Retributive Theorien der Strafrechtfertigung sowie die Doppelstrategien setzen eine starke Theorie der Willensfreiheit voraus (Libertarismus), die aber nicht begründet werden kann. Konsequenzialistische Rechtfertigungstheorien der Strafe können auf die Existenz eines freien Willens verzichten, sie haben jedoch theorieimmanente und von der Willensfreiheit unabhängige Mängel. • Die Erkenntnisse der Neurowissenschaften bezüglich der Handlungsgenese und der Freiheit des Willens ordnen sich in die seit langem bekannten Theorien der Philosophie ein. Sie sind darüber hinaus aber dazu angetan, diejenigen philosophischen Theorien zu stützen, die die Existenz von Willensfreiheit verwerfen. • Die Neurowissenschaften haben damit in zweierlei Hinsicht nur indirekte Implikationen für individuelle Verantwortung: Zum einen sind die Implikationen nur indirekt, weil sich die in Rede stehenden Thesen der Hirnforschung den philosophischen Theorien einordnen und keine per se neuen Argumente liefern, die Willensfreiheit anzuzweifeln. Zum anderen kann nur von indirekten (oder partiellen) Implikationen gesprochen werden, weil es eine Ebene des Verantwortens gibt (die Rechtfertigungsverantwortung), welche vom Bestehen oder Nichtbestehen von Willensfreiheit und damit von den entsprechenden Aussagen der Neurowissenschaften unabhängig ist. • Vor dem Hintergrund dieser Probleme wird als ein zentrales Ergebnis des Projekts eine Theorie der Rechtfertigung von verletzenden Verantwortungsinterventionen (früher: >Strafe<) vorgeschlagen, die dem Charakter nach konsequenzialistisch und im Detail aus der Notwehr abgeleitet ist.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2011). Verantwortung und Strafe ohne Freiheit. Paderborn: mentis
    Stier, Marco
 
 

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