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Prozesse der Partnerwahl bei Online-Kontaktbörsen

Fachliche Zuordnung Empirische Sozialforschung
Förderung Förderung von 2007 bis 2010
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 31230648
 
Erstellungsjahr 2010

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Hauptinteresse unseres Projekts galt der empirischen Erforschung von Prozessen der Partnerwahl auf Online-Kontaktbörsen. Dazu standen dem Projekt prozessproduzierte Daten einer großen deutschsprachigen Online-Kontaktbörse zur Verfügung, die im Rahmen einer Kooperation mit einem Online-Kontaktbörsen-Anbieter zugänglich gemacht werden konnten. Diese Daten enthalten anonymisierte Informationen über Profildarstellungen und E-Mail-Interaktionen der Nutzer. Mithilfe dieser Daten wird zum ersten Mal der Blick auf die frühen Phasen des Kennenlernens möglich, der in anderen Untersuchungskontexten verwehrt bleibt. Damit konnten die frühen Phasen des Partnerwahlprozesses im Internet sehr detailliert und in ihrer Wechselseitigkeit analysiert werden. Folgende Hauptergebnisse unserer Projektarbeit sind besonders hervorzuheben: (1) Die Frage, wer überhaupt Online-Kontaktbörsen in Deutschland nutzt und nach welchen sozialstrukturellen Merkmalen die Teilnahme am Online-Dating variiert, können wir nun wie folgt beantworten: Prinzipiell sind alle Merkmalskonstellationen im Online-Dating vertreten, jedoch in anderen Verhältnissen als in der Gesamtbevölkerung. Der „durchschnittliche Nutzer" einer Online-Kontaktbörse ist eher männlich, jünger, höher gebildet lebt in einem Haushalt mit höherem Einkommen, vornehmlich in städtischen Gebieten, ist eher alleinlebend und auf der Suche nach einer festen Partnerschaft, und verfügt über verhältnismäßig hohe Kompetenzen im Umgang mit dem Internet. Unsere Ergebnisse zeigen erstmals deutlich, dass die Neigung von Männern und Frauen am Online-Dating teilzunehmen, auch von ihren jeweiligen Chancen am Heiratsmarkt abhängt. Vor allem hoch und niedrig gebildete Frauen sowie niedrig gebildete Männer gehören zu denjenigen Gruppen, die verstärkt die Angebote des Online-Datings nutzen. (2) Unsere Analysen zu den Mechanismen der Partnerwahl im Internet haben folgende Ergebnisse hervorgebracht: Mit Blick auf die erstmalige Kontaktierung im Online-Dating konnten wir deutlich zeigen, dass bereits in dieser frühen Phase des Partnerwahlprozesses eine klare Tendenz zu bildungshomophilem Kontaktverhalten, also einer Tendenz der Bevorzugung ähnlich gebildeter Kontaktpartner beobachtet werden kann. Diese Tendenz wird im Zuge der Antworten auf die Erstkontakte reproduziert. Aus theoretischer Perspektive ist dieser zweite Analyseschritt wichtig, weil die Entscheidung für eine Partnerschaft explizit als konsensuelle Entscheidung zweier Akteure abgebildet wird. Zudem konnten wir keine geschlechtsspezifischen Tradeoff-Mechanismen beim Zustandekommen von Kontaktkonstellationen nachweisen. Insgesamt ist die Untersuchung der Kontaktierungsprozesse im Online-Dating vor allem deshalb interessant, weil man die Entscheidungen der Akteure wesentlich unmittelbarer beobachten und messen kann als mit traditionellen Datensätzen. Unter Kontrolle der Gelegenheitsstruktur können durch die Analyse vor allem die intentionalen Aspekte der Akteure bei der Partnerwahl herausgearbeitet werden. Dabei machen unsere Ergebnisse deutlich, dass die Intentionen der Akteure eine bedeutsame Rolle spielen und eine rein strukturelle Erklärung der beobachteten Muster der Partnerwahl zu kurz greift. Inhaltlich sprechen unsere Ergebnisse für eine weitgehende Übertragung bekannter traditioneller geschlechtsspezifischer Strukturen in den neuen digitalen Heiratsmarkt und dämpfen die in der Literatur verbreitete Annahme, das Internet wirke eher sozial öffnend als schließend. (3) Wir haben ein Online-Panel entwickelt mit dem die vorliegenden Beobachtungsdaten durch längsschnittliche Befragungsdaten angereichert werden können. Im Rahmen des Online-Panels wurden vom 22.06.2009 bis 15.04.2010 auf der Plattform unseres Kooperationspartners Befragungsdaten über drei verschiedene Fragebögen erhoben: einen Initialfragebogen, einen Panelfragebogen und einen Exitfragebogen. (4) In unseren methodischen Projektarbeiten haben wir schließlich Möglichkeiten der Verknüpfung von Befragungsdaten und prozessproduzierten Daten aufgezeigt und Voraussetzungen für eine valide Messung partnerschaftlicher Präferenzen diskutiert. Dabei haben unsere methodischen Projektarbeiten gezeigt, inwiefern die Ergänzung der uns vorliegenden prozessproduzierten Daten durch eine zusätzliche Erhebung von Befragungsdaten für eine umfangreiche und valide Untersuchung von Prozessen der Partnerwahl fruchtbar ist.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2008): Wer nutzt Internetkontaktbörsen in Deutschland? In: Zeitschrift für Familienforschung 20(3): 271 - 292
    Schulz, Florian, Jan Skopek, Doreen Klein & Andreas Schmitz
  • (2009): Das Internet als Heiratsmarkt. Ausgewählte Aspekte aus Sicht der empirischen Partnerwahlforschung. ifb-Materiallen 4/2009, Bamberg: Staatsinstitut für Familienforschung (ifb)
    Schulz, Florian & Doreen Zillmann
  • (2009): Die Integration von Befragungs- und Prozessdaten einer Onllne-Kontaktbörse. In: Sozialwissenschaftlicher Fachinformationsdienst, Themenbereich "Methoden und Instrumente der Sozialwissenschaften", Heft 1/2009: 31 - 44
    Schmitz, Andreas, Doreen Klein, Jan Skopek, Florian Schulz & Hans-Peter Blossfeld
  • (2009): Educational assortative marriage in comparative perspective. In: Annual Review of Sociology 35: 513 - 530
    Blossfeld, Hans-Peter
  • (2009): Indicating mate preferences by mixing survey and process-generated data. The case of attitudes and behaviour in online mate search. In: Historical Social Research 34(1): 77 - 93
    Schmitz, Andreas, Jan Skopek, Florian Schulz, Doreen Klein & Hans-Peter Blossfeld
  • (2009): Partnersuche im Internet. Bildungsspezifische Mechanismen bei der Wahl von Kontaktpartnern. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 61(2): 183 - 210
    Skopek, Jan, Florian Schulz & Hans-Peter Blossfeld
  • (2010): Partnerwahl als konsensuelle Entscheidung. Das Antwortverhalten bei Erstkontakten im Online-Dating. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 62(3): 485 - 514
    Schulz, Florian, Jan Skopek & Hans-Peter Blossfeld
  • (2010): Verbundene Lebensläufe. Partnerwahl und Arbeitsteilung zwischen neuen Ressourcenverhältnissen und traditionellen Geschlechterrollen. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften
    Schulz, Florian
  • (2010): Who Contacts Whom? Educational Homophily in Online Mate Selection. In: European Sociological Review
    Skopek, Jan, Florian Schulz & Hans-Peter Blossfeld
 
 

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