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Chemische Fernorientierung bei Parasitoiden samenfressender Wirte: Signale, Reichweite der Signale und Mechanismen der Fernorientierung

Fachliche Zuordnung Biologie des Verhaltens und der Sinne
Förderung Förderung von 2006 bis 2010
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 31250457
 
Erstellungsjahr 2010

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Im Rahmen des Projektes wurde die chemische Orientierung von Parasitoiden samenfressender Wirte am Beispiel der Wespe Cephalonomia tarsalis untersucht. Diese Wespe parasitiert die Larven des Getreideplattkäfers Oryzaephilus surinamensis, welche an Weizenkörnern Triticum aestivum fressen. Im Zentrum standen die Identifizierung der von den Parasitoiden genutzten Geruchsstoffe, sowie die Mechanismen und Reichweite der Fernorientierung in verschiedenen Phasen der Wirtssuche. Die Arbeiten zeigten, dass sich die Wespen bei der Suche nach dem Wirtshabitat an einem spezifischen Bouquet zahlreicher Substanzen (3-Pentanol, Vanillin, 1-Heptadecanol, Ölsäure, Linolsäure und Linolsäureethyester) aus Weizenkörnern orientieren, das sie beim Schlupf oder bei Wirtskontakten lernen. Im Unterschied zu Parasitoiden von Wirten, die an grünen Pflanzen fressen, scheinen die Wespen nicht zwischen Gerüchen von gesunden, mechanisch beschädigten und befressenen Körnern zu unterscheiden. Dagegen reagieren die Wespen auf Duftstoffe, die von Mikroorganismen in beschädigtem und überlagertem Getreide abgegeben werden, dem bevorzugten Habitat von O. surinamensis. Besonders interessant ist die Reaktion auf 1-Octen-3-ol, einen Geruchsstoff von Schimmel, der auch für den Wirt attraktiv ist. Die Wespen reagieren nur auf niedrige Konzentrationen positiv, aber nicht auf höhere Konzentrationen. Dies könnte daran liegen, dass Schimmelpilze in höheren Konzentrationen die Entwicklung der Wespennachkommen hemmen. Zur Wirtsfindung nutzt C. tarsalis angeborenerweise Gerüche vom Kot der Wirte. Die attraktiven Komponenten sind dabei Öl- und Linolsäure und vermutlich die Aggregationspheromone des Getreideplattkäfers (Cucujolide). Diese von den adulten Käfern abgegeben Substanzen sind so persistent, dass sie noch vorhanden sind, wenn nach mehreren Wochen die Larven aus den abgelegten Eiern herangewachsen sind. Die Fettsäuren ermöglichen es den Parasitoiden vermutlich, Mikrohabitate zu lokalisieren, in denen Vorratsschädlinge vorkommen. Die Cucujolide zeigen das Vorhandensein der Wirte an. Die genaue Lokalisierung der Wirte erfolgt offenbar über Nonanal und Decanal, die als Kairomonspur von den Wirtslarven auf den Boden abgegeben werden und nach etwa 30 min ihre attraktive Wirkung verlieren. Versuche mit synthetischen Substanzen und chemische Analysen ergaben, dass der Verlust der Attraktivität offenbar auf der Oxidation von geringen Mengen dieser Substanzen zu den korrespondierenden Säuren beruht. Bereits geringste Mengen an Säuren in synthetischem Aldehyd blockiert die Reaktion der Wespen. Für die Wespen spielt die zeitspezifische Information über das Alter der Spur vermutlich eine wichtige Rolle, da die Wirte sehr beweglich sind und ihren Aufenthaltsort häufig wechseln. Auch die Reaktion auf Larvenspuren ist angeboren. Während der Wirtssuche bewirken bestimmte Duftstoffe spezifische Verhaltensmuster bei C. tarsalis. So konnte gezeigt werden, dass der Geruch von Weizen und von 1-Octen-3-ol bei den Wespen ein beschleunigtes Laufverhalten auslöst, während Wirtskot und Larvenspuren Klinokinese bewirken, d.h. die Wespen reagieren mit häufigen Richtungsänderungen und vermehrtem Sitzen. Die Reichweiten, innerhalb derer die Duftstoffe Verhaltensantworten bei den Wespen auslösten (active space), war für Weizen, Käferkot und Larvenspuren unterschiedlich und von der Menge der eingesetzten Probe abhängig. 50 g Weizen besaßen mit 16 cm die größte Reichweite. Wirtskot hatte eine Reichweite von 7-8 cm und Larvenspuren eine Reichweite von etwa 5 cm. Der letzte Wert entspricht dem theoretisch ermittelten active space von Nonanal nach Bossert und Wilson. Versuche zur Partnerfindung ergaben, dass Männchen von C. tarsalis Geruchsstoffe aus dem Kot der Käfer zur Partnerfindung als Sexualkairomone nutzen (sensu Ruther et al. 2002). Die genaue Lokalisierung der Weibchen verläuft vermutlich über Dodecanal, welches von den Weibchen als Sexualpheromon auf den Untergrund abgegeben wird. Die durchgeführte Arbeit stellt vermutlich die umfassendste Untersuchung der Wirtsfindung von Parasitoiden samenfressender Wirten dar. Erstmalig wurden Samengeruchsstoffe identifiziert, welche von diesen Parasitoiden zur Wirtsfindung genutzt werden. Auch der Aspekt der Zeitspezifität durch Oxidation von Wirtsspuren ist unseres Wissens nach bisher in keinem Parasitoiden-System beschrieben worden. Mit Dodecanal wurde vermutlich das erste Spur-Sexualpheromon bei Parasitoiden identifiziert. Die Ergebnisse zur Untersuchung der Reichweite der Kairomone ist auch für die praktische Anwendung der Wespen in der Schädlingsbekämpfung relevant.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • 2008. Hunting for moving hosts: Cephalonomia tarsalis, a parasitoid of free-living grain beetles. Basic and Applied Ecology, 9, 452-457
    Collatz, J., Steidle, J.L.M.
  • 2009. Mate finding in the parasitic wasp Cephalonomia tarsalis (Ashmead): More than one way to a female’s heart. Journal of Chemical Ecology, 35, 761- 768
    Collatz, J., Tolasch, T., Steidle, J.L.M.
 
 

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