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Performative Kompetenz als Grundlage ökonomisch erfolgreichen Handelns im spanischen und französischen Roman der Frühen Neuzeit. Eine diskurshistorische Untersuchung des Zusammenhangs von Theatralität, Ökonomie und Subjektivität in der 'niederen' Romanliteratur (Lazarillo de Tormes - Gil Blas)

Antragsteller Dr. Urs Urban
Fachliche Zuordnung Europäische und Amerikanische Literatur- und Kulturwissenschaften
Förderung Förderung von 2016 bis 2022
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 313598971
 
In dem geplanten Forschungsvorhaben geht es um die Frage nach dem literarischen Wissen über die Selbsttechniken des ökonomischen Menschen, das in 'vor der Literatur' entstandenen Texten aufgehoben ist (in Texten also, die vor der Herausbildung des literarischen Feldes oder Literatursystems im 18. Jahrhundert entstanden sind). Die Genealogie des homo oeconomicus - so die These - reicht zurück bis zu jenem 'fruchtbaren Augenblick', in dem im Zusammenspiel von theatralem und wirtschaftlichem Handeln ein früher Vorläufer des bürgerlichen Subjekts auf den Plan tritt und im künstlerischen Medium - also etwa auf der Bühne oder im Text - sichtbar wird. Bereits in der spanischen Literatur der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts lässt sich eine solche Konstellation beobachten: Im Pikaroroman treten Subjekt, Theatralität und Ökonomie in paradigmatisch neuer Weise zusammen. Hier wird das Versprechen der providentiellen oikonomia (das den Lohn ins Jenseits projizierte) ausgehöhlt und unterlaufen von einer neuen Gesellschaftslogik, die Tausch und Täuschung und also Markt und performative Kompetenz miteinander korreliert und dabei ein (zunehmend autonom) handelndes Subjekt voraussetzt. Der Lazarillo de Tormes steht mithin am Anfang einer Geschichte der literarischen Modellierung des ökonomischen Menschen, die sich nach einer relativ kurzen Konjunktur im spanischen Roman (Lazarillo de Tormes, Guzmán de Alfarache, Pícara Justina, Buscón, Marcos de Obregón) in den französischen Roman des 17. Jahrhunderts (Histoire comique de Francion, Le Page disgracié, Le Roman comique, Le Roman bourgeois) verschiebt, um auf diesem Weg (der Weg, der im 18. Jahrhundert weiter zum Gil Blas und zu Manon Lescaut und dem Paysan parvenu führt) jenes bürgerliche Subjekt hervorzubringen, das dann (erst) im modernen Roman (etwa im 'realistischen') vollends zu sich kommt. Ziel der Untersuchung ist es, die literarische Genealogie dieses Subjekts unter ständiger Berücksichtigung seiner Profilierung in 'ökonomietheoretischen' Diskurszusammenhängen ('vor der Ökonomie': von Luis Ortiz über Montchrestien und Jacques Savary bis Adam Smith und Jung-Stilling) zu rekonstruieren.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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