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Feedback-basierte Blicksteuerung in sozialen und nicht-sozialen Informationsverarbeitungskontexten

Fachliche Zuordnung Allgemeine, Kognitive und Mathematische Psychologie
Förderung Förderung von 2016 bis 2021
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 313709549
 
Erstellungsjahr 2020

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Blicke werden nicht nur zur Wahrnehmung, sondern auch als „Handlungsinstrument“, um intendierte Effekte in seiner Umwelt zu erzeugen, eingesetzt. So werden Blicke beispielsweise dazu verwendet, die Aufmerksamkeit eines anderen auf einen bestimmten Ort zu lenken. Bisherige Forschung zu Blickkontrolle im sozialen Kontext hat sich bisher hauptsächlich auf den Blick-Empfänger konzentriert, um die Frage zu beantworten, wie Menschen auf wahrgenommene Blicke reagieren. Dieser Ansatz hat dementsprechend bisher kaum den Standpunkt des Blick-Senders berücksichtigt. So wurde beispielsweise noch nicht untersucht, welche mentalen Prozesse der Ausübung einer Augenbewegung zugrunde liegen, die zum Ziel hat, bei einer anderen Person eine bestimmte Blickreaktion auszulösen. Darüber hinaus werden zielgerichtete Augenbewegungen auch im nicht-sozialen Kontext eingesetzt, beispielsweise beim Entsperren des Smartphones mithilfe der Augen. Diese und andere Beobachtungen zeigen allerdings klar die Notwendigkeit, Blickkontrolle sowohl in der sozialen Kommunikation als auch in anderen, nicht-sozialen Kontexten zu berücksichtigen und dabei gleichzeitig auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu achten, die der Natur eines sozialen (vs. nicht-sozialen) Handlungskontextes innewohnen. Das vorliegende Projekt untersuchte daher die kognitiven Mechanismen, die solchen zielgerichteten Blickbewegungen in sozialen wie in nicht-sozialen Kontexten zugrunde liegen. Die Experimente bauen auf bereits etablierten Paradigmen aus der Forschung zu Okulomotorik und zu basalen kognitiven Prozessen auf. Diese Paradigmen basieren auf dem Prinzip der ideomotorischen Handlungskontrolle, das eine Erklärung für die Entstehung zielgerichteter und beabsichtigter Handlungen liefert. Der ideomotorische Gedanke legt nahe, dass Menschen Assoziationen zwischen ihren Handlungen und den daraus resultierenden Effekten erwerben, die in zwei Richtungen wirken können: Eine Handlung kann die Antizipation ihrer Effekte auslösen, aber die aktive Antizipation eines Handlungseffektes kann auch die damit verbundene Handlung auslösen. Nach der ideomotorischen Theorie beinhaltet Handlungsgenerierung die mentale Antizipation des beabsichtigten Handlungseffektes, um das zugehörige motorische Muster zu aktivieren. Die vorliegenden Experimente beinhalten Situationen, in denen die Probanden den Blick eines virtuellen Gesichts mithilfe ihrer eigenen Augenbewegungen steuern. Die im virtuellen Gesicht ausgelösten Blickreaktionen repräsentieren die visuellen Handlungseffekte. Die Situationen wurden in Bezug auf die Determinanten von Handlungs-Effekt-Lernen (Kontingenz, Kontiguität, Handlungsmodus während des Lernens) variiert, um die zugrundeliegende Dynamik der okulomotorischen Handlungskontrolle in diesen Situationen zu verstehen. Zusätzlich zu den Gesichtern wurden Handlungseffekte in nicht-sozialen Objekten untersucht, um die Frage zu klären, ob sich die der Blickkontrolle zugrundeliegenden Mechanismen für soziale und nicht-soziale Kontextsituationen unterscheiden. Die Ergebnisse des Projekts lassen sich in drei Hauptergebnisse zusammenfassen. 1. Sie legen nahe, dass Menschen bi-direktionale Assoziationen zwischen ihren Augenbewegungen und der darauf folgenden Blickreaktion einer anderen Person erwerben, was über die Antizipation der beabsichtigten Effekte die okulomotorische Handlungssteuerung beeinflusst. Die beobachteten Ergebnisse zeigen zum ersten Mal, dass Augenbewegungen in einem Blickinteraktionsszenario in Form einer bei der anderen Person ausgelösten Blickreaktion repräsentiert werden. Diese Beobachtung steht im Einklang mit dem ideomotorischen Prinzip der Handlungskontrolle. 2. Die Ergebnisse belegen und erweitern die wegweisenden Ergebnisse von Huestegge und Kreutzfeldt (2012) in Bezug auf den bedeutenden Einfluss von Handlungseffekten in der okulomotorischen Handlungskontrolle. Die Ergebnisse von Huestegge und Kreutzfeldt (2012) ließen sich über verschiedene Kontexte mit unterschiedlichem Stimulus-Material replizieren unter der Bedingung, dass die wahrgenommenen Handlungseffekte ausreichend salient waren. 3. Zudem konnte gezeigt werden, dass sich Mechanismen der Blickkontrolle in einem sozialen Blickinteraktionskontext eher nicht qualitativ von denen in einem nicht-sozialen Kontext unterscheiden. Die Befunde konnten zur Entwicklung eines umfassenden Modells ideomotorischer Prozesse in der Blicksteuerung allgemein sowie in der sozialen Blickinteraktion im Besonderen beitragen. Insgesamt hat sich das Forschungsprogramm sowohl auf empirischer wie auch auf theoretischer Seite als sehr fruchtbar erwiesen und aufgezeigt, wie mittels des hier dargelegten Untersuchungsansatzes neue, produktive Impulse in die traditionsreiche Forschung zu Antizipationsprozessen und Blickinteraktion eingebracht werden können.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2017). Spatio-temporal dynamics of action-effect associations in oculomotor control. Acta Psychologica, 180, 130–136
    Riechelmann, E., Pieczykolan, A., Horstmann, G., Herwig, A., & Huestegge, L.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.actpsy.2017.09.003)
  • (2017, August). Anticipating the other's gaze. Oculomotor action control in social information processing contexts. In Radach, R., Deubel, H., Vorstius, C., & Hofmann, M. (Eds.), Abstracts of the 19th European Conference on Eye Movements (ECEM), 2017, Wuppertal, Germany (p. 54)
    Riechelmann, E., Böckler, A., Raettig, T., & Huestegge, L.
  • (2017, November). Anticipatory control mechanisms in social gaze interaction. In Abstracts of the 58th annual meeting of the Psychonomic Society, Vancouver, BC, Canada (Vol. 22; p. 279). Psychonomic Society Publications
    Riechelmann, E., Böckler, A., Raettig, T., & Huestegge, L.
  • (2017, September). Anticipating the other's gaze. Anticipation-based oculomotor control in social and non-social information processing contexts. In Abstracts of the 20th Conference of the European Society for Cognitive Psychology, EscoP, Potsdam, Germany
    Riechelmann, E., Böckler, A., Raettig, T., & Huestegge, L.
  • (2018, March). Comparing ideo-motor and socio-motor control of eye movements. In Schütz, A. C. et al. (Eds) Abstracts of the 60th Conference of Experimental Psychologists Marburg (p. 212), Lengerich: Past Science Publishers
    Riechelmann, E., Böckler, A., Raettig, T., & Huestegge, L.
  • (2018, September). Spatio-temporal dynamics of ideomotor saccade control. In: J. Hartig & H. Horz (Eds.) 51st Congress of the Deutsche Gesellschaft für Psychologie (p. 420). Frankfurt a. M.
    Riechelmann, E., Pieczykolan, A., Horstmann, G., Herwig, A., & Huestegge, L.
  • (2019). Revisiting intersubjective action-effect binding: No evidence for social moderators. Attention, Perception & Psychophysics, 81(6), 1991–2002
    Riechelmann, E., Weller, L., Huestegge, L., Böckler, A., & Pfister, R.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.3758/s13414-019-01715-6)
  • Gaze Interaction: Anticipation-Based Control of the Gaze of Others. Psychological Research
    Riechelmann, E., Raettig, T., Böckler, A., & Huestegge, L.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1007/s00426-019-01257-4)
 
 

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