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Amerikanische Literatur und der Wandel der Privatheit

Fachliche Zuordnung Europäische und Amerikanische Literatur- und Kulturwissenschaften
Förderung Förderung von 2016 bis 2022
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 314423957
 
Erstellungsjahr 2023

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Dem Forschungsprojekt "American Literature and the Transformation of Privacy" liegt die Beobachtung zugrunde, dass Privatheit durch soziale Praktiken, Technologien und Hermeneutiken konstituiert wird, die historisch variabel sind und derzeit einem strukturellen Wandel unterliegen. Historisch betrachtet war die Literatur maßgebend für die Artikulation eines liberalen Konzepts der Privatsphäre. Aus dieser historischen Verknüpfung von Literatur und Privatheit ergibt sich die Forschungsfrage des Projekts: Wie lässt sich der heute zu beobachtende Strukturwandel der Privatheit mittels des literarischen Schreibens - das selbst strukturelle Umbrüche bezüglich des Status von Fiktion, der Veröffentlichungstechnologien usw. durchläuft - nachvollziehen? Anstatt sich auf eine enge Gegenwartsperspektive zu beschränken, verfolgte das Forschungsprojekt die historische Koevolution des Literarischen und Privaten, indem es zwei Teilprojekte zusammenführte, von denen sich das erste auf das späte neunzehnte und das zweite auf das frühe einundzwanzigste Jahrhundert konzentrierte. Teilprojekt 1, "Emily Dickinson, Privacy and Literary Theory", entwickelt ein Konzept der Privatheit basierend auf Emily Dickinsons Poetik und nutzt dieses als Grundlage für den Entwurf einer allgemeinen literarischen Theorie der Privatheit. Die literaturwissenschaftliche Erforschung des Privaten hat bisher dazu tendiert, ihr Verständnis von Privatheit aus Disziplinen wie der Soziologie, der Philosophie und der politischen Theorie zu entlehnen. Dr. Stephan Kuhl ergänzt diese Ansätze, indem er die Aufmerksamkeit auf die ästhetische Dimension des Privaten lenkt. Im Zentrum der Arbeit (Fertigstellung in Kürze) steht die Frage, wie sich Dickinsons Absicht, ihre poetischen Werke der Öffentlichkeit fernzuhalten, auf ihre Poetik auswirkte und inwieweit der bewusst private Charakter ihrer Schriften auch nach der Veröffentlichung nachvollziehbar blieb und deren Bedeutungen prägte. Im zweiten Teilprojekt näherte sich Prof. Dr. Johannes Völz der Privatsphäre in der "Netzwerkgesellschaft" durch eine Analyse der zeitgenössischen Literatur. Seine Studien (die in zahlreichen Aufsätzen erschienen sind und in einer Monografie münden werden) untersuchen die Ästhetik der "vernetzten Privatheit" in Bezug auf das internationale Phänomen der "Autofiktion" - eine oft bewusst experimentelle Form des literarischen Schreibens, die die Grenzen zwischen dem Fiktionalen und dem Nicht-Fiktionalen auslotet und in ihrer aktuellen Spielart dazu neigt, auf einen Moment des Meta-Nicht-Fiktionalen (statt des Metafiktionalen) zu verweisen. Anstelle einer Ansiedlung in räumlichen oder psychischen Sphären, die vor öffentlicher Musterung schützen, wird das Private derzeit in Netzwerkstrukturen verlagert. Ausgehend von Einsichten der Mediensoziologie und Affekttheorie zeigte das Teilprojekt auf, wie die gegenwärtige literarische Ästhetik eine neue Konzeption des Privaten, und damit auch des Selbst, ausbuchstabiert.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • “The American Novel and the Transformation of Privacy: Ben Lerner’s 10:04 (2014) and Miranda July’s The First Bad Man (2015).” The American Novel in the 21st Century: Cultural Contexts – Literary Developments – Critical Analyses. Ed Michael Basseler and Ansgar Nünning. Trier: Wissenschaftlicher Verlag Trier, 2019. 323–337
    Voelz, Johannes
  • “Der Wert des Privaten und die Literatur der ‘Neuen Aufrichtigkeit’.” WestEnd: Neue Zeitschrift für Sozialforschung, 01–2016: 145–155
    Voelz, Johannes
  • “The Private Sphere of the Text: Emily Dickinson’s Literary Practice and Her Public.” American Counter/Publics. Eds. Haselstein, Kelleter, Starre, Wege. Heidelberg: Winter, 2019. 343–358
    Kuhl, Stephan
  • How to Read the Literary Market: An Introduction. Zeitschrift für Anglistik und Amerikanistik, 69(1), 3-8.
    Breitenwischer, Dustin; Löffler, Philipp & Völz, Johannes
  • Autofiktion und die Poetik der Singularisierung. Special section of WestEnd: Neue Zeitschrift für Sozialforschung, 01–2022
    Voelz, Johannes
  • “Affektlagen der Singularisierung: Tao Lin am Rande der Erschöpfung.” WestEnd: Neue Zeitschrift für Sozialforschung, 01–2022: 99–111. (Special issue: Autofiktion und die Poetik der Singularisierung, ed. Johannes Voelz)
    Voelz, Johannes
  • “Stichwort: Autofiktion und die Poetik der Singularisierung. Einleitung.” WestEnd: Neue Zeitschrift für Sozialforschung, 01–2022: 75–82
    Voelz, Johannes
  • Autofiktion und der Strukturwandel des Privaten. Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte, 97(4), 927-939.
    Völz, Johannes
  • Mary McCarthy and the Genealogy of Progressive Liberalism. New American Studies Journal, 74.
    Voelz, Johannes
 
 

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