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Geschlechterdifferenzen in familialen Übergangsphasen. Ethnografische Analysen von Elternwerdung, Trennung und Auszug des Kindes

Fachliche Zuordnung Soziologische Theorie
Förderung Förderung von 2016 bis 2024
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 315174848
 
Erstellungsjahr 2024

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Im Fokus des Projekts standen drei Übergänge im familialen Lebensverlauf und die Frage nach den Auswirkungen und Veränderungen des bei Familiengründung gewählten Geschlechterarrangements. Ausgangspunkt unserer Analysen waren die Ergebnisse des Vorläuferprojekts "Retraditionalisierung pränatal?", welche zeigen, dass sich bereits vor der Geburt unterschiedliche Selbst- und Fremdzuschreibungen an (werdende) Mütter und Väter beobachten lassen, in deren Folge Elternschaft - trotz gesetzlicher Gleichstellung und Gleichberechtigung - richtungsweisend für den weiteren Lebensverlauf wird. Die resultierenden geschlechterdifferenzierenden Care- und Erwerbskonstellationen sind gerade für Deutschland vielfach belegt und erstaunlich stabil. Dabei stellt sich die Frage, wie die unterschiedlichen Zuschreibungen an und Praktiken von Müttern und Vätern in späteren Phasen der Elternschaft aufrechterhalten und legitimiert werden. Neben der Elternwerdung haben wir daher Trennungen des Elternpaares sowie den Auszug des letzten Kindes aus dem elterlichen Haushalt als weitere Kristallisationspunkte familialer Biografien untersucht. Zusammenfassend zeigen sich drei zentrale Ergebnisse der vergleichenden Analyse von Elternwerdung, Trennung und Empty Nest: Erstens ist eine zunehmende Kindzentrierung der Familien auf Kosten der Mütter zu beobachten, wodurch Geschlecht als Masterstatus im Kontext der innerfamilialen Arbeitsteilung erhalten bleibt und sich die normativen Anforderungen an Mütter sogar verschärfen ("intensive mothering"). Die mütterliche Primärzuständigkeit für die Kinderversorgung wird auch in späteren Familienphasen nur partiell neu verhandelt: Im Trennungsfall schließen Familiengerichtsentscheidungen an die in den Familien zuvor geltenden geschlechtsdifferenzierenden Arrangements an und im Übergang zum Empty Nest setzen sich die normativen Anforderungen des "intensive mothering" fort. Zweitens lassen sich institutionelle Verflechtungen zur Reproduktion der Geschlechterdifferenz ausmachen: Die schon in der Schwangerschaft einsetzende und von Begleitinstitutionen wie z.B. Geburtsvorbereitungskursen gestützte geschlechterdifferenzierende Wirkung von Elternschaft verfestigt sich tendenziell im weiteren Lebensverlauf. Die engen Verflechtungen der Lebensverläufe der Paare und die damit verbundenen geschlechtsdifferenzierenden Prozesslogiken werden auch in späteren Phasen der Elternschaft institutionell abgesichert, z.B. durch Familiengerichte im Fall der Trennung oder durch Ratgeberliteratur im Übergang zum Empty Nest. Und drittens arbeiten dem Widerspruch von elterlicher Geschlechterdifferenz und normativen Gleichstellungsidealen diverse kommunikative Strategien zur Legitimierung geschlechterdifferenzierender Elternschaft entgegen: So zeigt sich, dass rund um Schwangerschaft und Geburt geschlechtsdifferenzierende Zuständigkeiten vor allem durch Naturalisierungen legitimiert werden, im Trennungsfall ein Gendering durch Rückgriff auf alltagsweltliche Vorannahmen und persönliche Erfahrungen beispielsweise der beteiligten Familienrichter:innen erfolgt und im Empty Nest zur Legitimation elterlicher Geschlechterdifferenzen häufig auf familienbiografische Gewöhnungseffekte verwiesen wird.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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