Diagnostische Kompetenz von Sportlehrkräften (DiKS) - Beurteilungsgüte der doppelten Diagnoseleistung zur Unterstützung realistischer physischer Fähigkeitswahrnehmungen von Grundschulkindern im Sportunterricht
Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Über die diagnostische Kompetenz von Sportlehrkräften ist bisher wenig bekannt. Das Projekt leistete daher einen ersten, wichtigen Beitrag zur differenzierten Aufklärung. In einer quantitativen Längsschnittstudie wurden 43 Sportlehrkräfte und ihre Schülerinnen und Schüler der dritten und vierten Klasse hinsichtlich der Güte und Stabilität ihrer Beurteilungen untersucht. Ferner wurde betrachtet, inwieweit akkurate Einschätzungen zusammen mit didaktischen Maßnahmen die Entwicklung der Realitätsangemessenheit der Schülerinnen und Schüler unterstützten. In dieser Längsschnittstudie war auch eine qualitative Teilstudie mit zehn Sportlehrkräften und ihren Schülerinnen und Schülern integriert, in der konkrete Bezüge zum unterrichtlichen Vorgehen durch die systematische Beobachtung von Unterricht, gekoppelt an leitfadengestützte Interviews mit den Sportlehrkräften hergestellt wurden. Es wurden drei zentrale Forschungsfragen untersucht. Inwieweit gelingt es Sportlehrkräften der Grundschule, die Lernausgangslage bezogen auf Leistungs- und Leistungsvoraussetzungen ihrer Schülerinnen und Schüler im Fach Sport zutreffend einzuschätzen? Es konnte festgestellt werden, dass Sportlehrkräfte gleichermaßen wie Fachlehrkräfte anderer Fächer stabile akkurate Leistungsbeurteilungen und stabile weniger akkurate Beurteilungen von Leistungsvoraussetzungen vornahmen, wenn sie die relative Position ihrer Schülerinnen und Schüler zueinander einschätzten. Sie überschätzen aber das mittlere Niveau sowie das Ausmaß an Heterogenität der Ausprägung dieser Merkmale in ihrer Klasse. Überraschenderweise hatte das absolvierte Sportstudium als indirektes Maß fachlichen und fachdidaktischen Wissens keine positive Auswirkung auf die Genauigkeit der Beurteilungen, da sich Sportlehrkräfte mit und ohne Facultas in ihren Beurteilungsleistungen nicht unterschieden. Dies gibt einen ersten Hinweis darauf, dass die Beschäftigung mit der Beurteilung von Schülerinnen und Schülern ein wichtiges Anliegen der Ausbildung angehender und der Weiterbildung etablierter Sportlehrkräfte darstellt, zumal die Urteilsgenauigkeit nicht von der Berufserfahrung abhing und sich nicht per se mit zunehmender Erfahrung eine höhere Akkuratheit einstellte. Es deutet einiges darauf hin, dass diese spezifisch entwickelt bzw. erworben werden muss. In welchem Zusammenhang steht die diagnostische Kompetenz der Sportlehrkräfte mit ihrem Unterrichtsvorgehen? In der qualitativen Teilstudie konnten über die Beobachtung keine systematischen Beziehungen zwischen der diagnostischen Kompetenz auf der einen Seite und dem didaktischen Vorgehen im konkreten Unterricht auf der anderen Seite ermittelt werden. Es ergaben sich Hinweise darauf, dass Diagnosesituationen von den Sportlehrkräften im konkreten Unterricht wahrgenommen, aber unterschiedlich systematisch genutzt wurden. Zudem waren mögliche Diagnosesituationen eng mit dem Unterrichtsthema verbunden. Welche Bedeutung ergibt sich aus dem Zusammenhang der Diagnostischen Kompetenz und dem Unterrichtsvorgehen für die Entwicklung der Schülerinnen und Schüler im Sportunterricht der Grundschule? Die Notwendigkeit guter diagnostischer Kompetenz wird vielfach darin gesehen, dass sie zu einem besseren Lernerfolg beitragen kann. In dieser Studie stand hierzu ein wesentliches Ziel des Sportunterrichts, die Entwicklung realitätsangemessener physischer Fähigkeitsselbsteinschätzungen im Fokus. Dazu wurde vermutet, dass es einer doppelten Beurteilungsleistung seitens der Sportlehrkraft bedarf, die akkurate Beurteilungen sowohl der Leistung als auch der subjektiven Sicht auf die Leistung umfasst und über die auch ein Viertel der Sportlehrkräfte verfügte. Eine förderliche Wirkung konnte aber auch in Zusammenhang mit einer hohen didaktischen Kompetenz nicht ermittelt werden. Dennoch zeigten die Befunde einen grundsätzlichen, systematischen Zusammenhang mit der Realitätsangemessenheit auf, der geschlechtertypisch unterschiedlich war und nur bei Jungen auch systematische Verbindungen zum didaktischen Vorgehen hatte. Während akkurate Beurteilungen der Lehrkräfte bei Jungen in Zusammenhang mit stärkerer Überschätzung der eigenen Fähigkeiten standen, zeigten sie bei Mädchen einen Zusammenhang mit zunehmender Realitätsangemessenheit. Die Überschätzungstendenz bei Jungen schritt voran, wenn der Unterricht zudem von weniger differenzierten und individualisierten Maßnahmen gekennzeichnet war. Bei Mädchen bestand kein Zusammenhang mit dem didaktischen Vorgehen.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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(2017). Diagnostische Kompetenz von Sportlehrkräften der Grundschulen. EPS 24 „Kompetenzen von Sportlehrkräften“ auf der AEPF-Tagung „Educational Research and Governance“, 25.9.- 27.09.2017 in Tübingen
Seyda, M.
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(2017). Diagnostische Kompetenz von Sportlehrkräften zwischen Vielfalt als Herausforderung und individueller Förderung als Aufgabe. 30. dvs-Jahrestagung der Sektion Sportpädagogik, 15.6.-17.6.2016 in Hannover
Seyda, M.
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(2018). How are future PE teachers prepared for performing assessments? Opportunities for physical education teacher education from a german perspective using the example of the diagnostic competence. AIESEP Specialist Seminar „Future direction in PE assessment“, Eindhoven, 18.10.-20.10.2018
Seyda, M.
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(2018). „Diagnostische Kompetenz von Sportlehrkräften als Voraussetzung für adaptives Lehrerhandelns“. Arbeitskreis auf der dvs Jahrestagung der Sektion Sportpädagogik, 31.5.18-2.6.18 an der Universität Chemnitz
Seyda, M & Anneke A
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Diagnostic Competence of Physical Education Teachers and their Influence on Adaptive Teaching Structure in Sport. AIESEP Weltkongress, 25.07.-28.07.2018 in Edinburgh
Langer, A.
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Zusammenhänge der Diagnostischen Kompetenz und der Unterrichtsgestaltung von Sportlehrkräften und ihre Bedeutung für das innere Erleben von Sportunterricht. SGBF Kongress 2018 „Bildung - Politik – Staat“, 27.06 – 29.06.18 in Zürich
Seyda, M.