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Die Rolle von TCF7L2 während der kolorektalen Karzinogenese - Onkogen oder Tumorsuppressor?

Fachliche Zuordnung Zellbiologie
Evolutionäre Zell- und Entwicklungsbiologie der Tiere
Hämatologie, Onkologie
Förderung Förderung von 2016 bis 2020
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 315268620
 
Erstellungsjahr 2021

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Der Transkriptionsfaktor TCF7L2 bildet zusammen mit β-Catenin einen heterodimeren transkriptionellen Regulator, der die Expression von Zielgenen des kanonischen WNT Signalwegs kontrolliert. Im Darm regelt dieser Signalweg die Proliferation von Stamm- und Progenitorzellen ebenso wie die Differenzierung und Wanderung ihrer Nachkommen. Für die Entwicklung und Aufrechterhaltung des Darmepithels ist TCF7L2 unbedingt erforderlich. Sowohl prä- wie auch postnatal ist die Inaktivierung des Tcf7l2 Gens in Mäusen letal. TCF7L2 ist auch für die Tumorinitiation essentiell, hat also onkogene Eigenschaften. Dennoch weisen bis zu 30% der untersuchten Kolonkarzinome einen teilweisen oder völligen Funktionsverlust von TCF7L2 auf, was als Indiz für eine tumorsupprimierende Wirkung von TCF7L2 interpretiert wurde. Die Zielsetzung dieses Projekts war es, diesen widersprüchlichen Beobachtungen zur Funktion des TCF7L2 Gens nachzugehen. Konkret wurde analysiert, ob Kolonkarzinomzellen im Gegensatz zum Normalepithel tatsächlich unabhängig von TCF7L2 sind, wie der Verlust von TCF7L2 die Eigenschaften von Krebszellen verändert, und worauf eine erworbene Unabhängigkeit von TCF7L2 beruhen könnte. Mithilfe des CRISPR/Cas9 Gens konnten wir das TCF7L2 Gen in mehreren Kolonkarzinomzellen vollständig inaktivieren. Zwei der TCF7L2-/- Zelllinien zeigten eine verlangsamte Proliferation, sie wurden motiler, invasiver, und hafteten besser an Typ I Kollagen. Globale Genexpressionsanalysen untermauerten die beobachteten phänotypischen Veränderungen, und ermöglichten uns, unter anderem das pro-invasive RUNX2 Gen als neues und direkt von TCF7L2 reprimiertes Zielgen zu identifizieren. Die physiologischen Funktionen des TCF7L2 Gens - Stimulation der Zellproliferation und Eindämmen zellulärer Motilität - sind also auch in Kolonkarzinomzellen erhalten, und können in TCF7L2-/- Zellen beeinträchtigt sein. Daher haben wir TCF7L2 nicht als Tumorsuppressor, sondern als Invasionssuppressor eingestuft. Anders als im Normalepithel scheinen jedoch alternative Faktoren das Überleben und die Vermehrung von Krebszellen in Abwesenheit von TCF7L2 zu gewährleisten. Bei der Suche nach diesen kompensatorischen Mechanismen konnten wir eine Aktivierung des Hedgehog/GLI Signalwegs und die Überexpression von ASCL2 ausschließen. Ebenso wenig korrelierte die erworbene TCF7L2 Unabhängigkeit mit Mutationen der wichtigsten Onkogene und Tumorsuppressorgene der kolorektalen Karzinogenese. Jedoch beobachteten wir in Zelllinien und primären Tumoren eine vom Normalepithel abweichende TCF/LEF Expression. Wie schon früher postuliert, schien es deshalb möglich, dass Kolonkarzinome aufgrund der tumorspezifischen Neoexpression von TCF/LEF Genen den Funktionsverlust von TCF7L2 tolerieren. Diese These wurde allerdings dadurch widerlegt, dass wir problemlos in zwei Zelllinien alle exprimierten TCF/LEF Gene inaktivieren konnten. Die vollständige Abwesenheit von TCF/LEF Faktoren wurde ohne phänotypische Verschärfung des TCF7L2 Einzelknockouts verkraftet. Angesichts der kompletten TCF/LEF Unabhängigkeit haben wir schließlich untersucht, ob Kolonkarzinomzellen überhaupt noch auf die Aktivität des kanonischen WNT Signalwegs angewiesen sind, und hierzu das Gen für β-Catenin (CTNNB1) in vier Kolonkarzinomzelllinien ohne Vitalitätsverlust erfolgreich ausgeschaltet. Wie TCF7L2-/- Zellen zeigten auch CTNNB1-/- Zellen eine reduzierte Proliferation und die Deregulation typischer WNT Zielgene. Von E-Cadherin vermittelte Zelladhäsion war erstaunlicherweise nicht gestört. Nur eine der CTNNB1-/- Zelllinien zeigte bei Langzeitkultivierung Seneszenz Erscheinungen. Dass Kolonkarzinomzellen eine Unabhängigkeit von β-Catenin erworben haben, erklärt auch ihre Unabhängigkeit von TCF/LEF Faktoren. Um diesen unerwarteten Befund zu verstehen, gehen wir aktuell der Frage nach, ob YAP1/TAZ Proteine, die in jüngster Zeit mit einer WNT Unabhängigkeit von Tumororganoiden in Verbindung gebracht wurden, während der Karzinogenese die essentielle Funktionen von β-Catenin und TCF7L2 ersetzen. Insgesamt konnten wir durch unsere Arbeiten experimentell bestätigen, dass Kolonkarzinomzellen nicht notwendigerweise ein intaktes TCF7L2 Gen benötigen. Dabei können die neu entdeckten Eigenschaften von TCF7L2 als Invasionssuppressor eine Erklärung für das häufige Auftreten von inaktivierenden TCF7L2 Mutationen sein. In unseren Forschungsergebnissen sehen wir einen bedeutenden Erkenntnisgewinn hinsichtlich der Biologie des TCF7L2 Gens und der Molekularpathologie von Darmkrebs.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2019). Genome-wide mapping of DNA-binding sites identifies stemness-related genes as directly repressed targets of SNAIL1 in colorectal cancer cells. Oncogene 38, 6647-6661
    Beyes S, Andrieux G, Schrempp M, Aicher D, Wenzel J, Antón-García P, Boerries M, Hecht A
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1038/s41388-019-0905-4)
  • (2020). Loss of the nuclear Wnt pathway effector TCF7L2 promotes migration and invasion of human colorectal cancer cells. Oncogene 39, 3893-3909
    Wenzel J, Rose K, Haghighi EB, Lamprecht C, Rauen G, Freihen V, Kesselring R, Boerries M, Hecht A
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1038/s41388-020-1259-7)
 
 

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