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Der Ernst der Ehe: Heirat und Ehe im Spannungsfeld von Deinstitutionalisierung und rechtlicher Normierung

Fachliche Zuordnung Empirische Sozialforschung
Förderung Förderung von 2016 bis 2021
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 316490642
 
Erstellungsjahr 2022

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Ziel des Forschungsprojekts war es, das Spannungsfeld zwischen individualisierten Deutungen und rechtlich-institutioneller Form der Ehe in seinen Auswirkungen auf handlungsleitende Deutungsmuster von angehenden Ehepaaren zu untersuchen. Dazu wurden qualitative Interviews durchgeführt, die narrative Anteile mit einer vorsichtigen Steuerung durch einen Leitfaden kombinierten. Die Paare wurden sowohl (relativ kurz) vor als auch ca. ein Jahr nach der Eheschließung befragt. Für das Sample waren nur heterosexuelle, erstheiratende Paare aus Westdeutschland vorgesehen, um die Komplexität des Projekts in handhabbaren Grenzen zu halten; rekrutiert wurden die Paare zu etwa gleichen Teilen aus großstädtischen, kleinstädtischen und ländlichen Settings. Die so erhobenen Daten wurden vorwiegend mittels rekonstruktiver Verfahren ausgewertet, insbesondere der Objektiven Hermeneutik; zusätzlich wurden codierende und kontrastierende Verfahren in Anlehnung an die Methodologie der Grounded Theory eingesetzt. Als erstes wichtiges Ergebnis ist festzuhalten, dass (in unserem Sample) ganz überwiegend nicht von einer De-Institutionalisierung des Sinns der Ehe ausgegangen werden kann. Bei deutlich über der Hälfte fanden wir eine säkularisiert-traditionale Orientierung, in der die Ehe als mindestens plausible, teilweise sogar zwingende Form der Beziehung für den Fall gilt, dass man die Person gefunden hat, mit der man eine stimmige Beziehung leben kann, die dementsprechend auch als auf Dauer angelegt gedacht wird. Als Untervariante dieser Orientierung kann man einzelne Fälle betrachten, bei denen die Eheschließung nicht von der ,richtigen Partnerschaft‘, sondern vom gemeinsamen Kind her begründet, der Sinn der Ehe also darin gesehen wurde, dass man (nur) verheiratet als ,richtige Familie‘ leben (und dies nach außen repräsentieren) könne. Bei einem weiteren Teil des Samples (etwa 15 Prozent) zeigte sich eine religiös-traditionale Orientierung, in der die Beziehung in ähnlicher Weise gesehen wird wie in der säkularisiert-traditionalen Sicht – der ,richtige‘ Partner/die richtige Partnerin ist gefunden, die Beziehung wird als auf Dauer gestellt erlebt –, das Motiv zur Eheschließung sich jedoch nicht aus einer weiter nicht begründbaren Gleichsetzung von dauerhafter Beziehung und Ehe speist wie in dieser, sondern aus dem christlichen Glauben. Nur bei zwei Fällen, also weniger als 10 Prozent unseres Samples, war das Motiv der Heirat rational-pragmatisch auf die Vorteile einer institutionalisierten Ehe gerichtet – oder, wie es auch ausgedrückt wurde, auf die Vermeidung der Nachteile, denen unverheiratete gegenüber verheirateten Paaren ausgesetzt sind. Auch die große Verbreitung konventioneller Rituale im Vorfeld der Hochzeit (romantisch oder feierlich ausgestalteter Heiratsantrag des Partners, soziale Formen wie Polterabend, Junggesellenabschied) spricht gegen eine starke De-Institutionalisierung der Ehe. Die rechtliche Form der Ehe wurde von den Befragten im wesentlichen als Ausdruck von Zusammengehörigkeit (häufig ausgedrückt im gemeinsamen Nachnamen), wechselseitiger Unterstützung (gerade in finanzieller Hinsicht) und Verantwortungsübernahme (etwa bei Krankheit) gedeutet, also in Übereinstimmung damit, wie sie ihre Beziehung interpretieren. Diese erlebte Übereinstimmung geht allerdings häufig mit eher vagen und ungenauen Kenntnissen einschlägiger rechtlicher Aspekte (etwa: Bedeutung der Zugewinngemeinschaft oder von Vollmachten im Krankheitsfall) einher.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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