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Translationen des neuzeitlichen Naturrechts durch die Rechtfertigung von Kolonialismus und Sklaverei und die Ursprünge der Rassentheorie

Fachliche Zuordnung Geschichte der Philosophie
Förderung Förderung von 2017 bis 2021
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 317049230
 
Erstellungsjahr 2021

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Vom Beginn der Neuzeit bis zum Ende der Zeit, die man in Europa mit der Aufklärung verbindet, einer Epoche also, die für weite Teile der Welt mit Eroberung, Kolonialisierung und zunehmend „industriell“ werdenden Sklavenhandel verknüpft ist, entwickeln sich diverse Argumentationsfiguren, mit denen dieses Verhalten der Europäer gerechtfertigt werden soll. Einiges aus diesen Legitimationsmustern galt über Jahrhunderte in Europa als unbefragte Selbstverständlichkeit und ist in seinen Auswirkungen noch heute feststellbar. Das Projekt stellte sich die Aufgabe, die Entstehung dieser Überzeugungen ein Stück weit nachzuzeichnen und wichtige Eckpunkte zu markieren. Dabei befasst sich ein Projektteil mit den unterschiedlichen Rechtfertigungsmustern, die in (West-)Europa für die Eroberung anderer Kontinente in Umlauf waren, der andere zeichnet die Entwicklung des Rassenbegriffs nach bis zu einem Stadium Ende des 18. Jahrhunderts, in dem man bereits von Rassismus im heutigen Sinne sprechen kann. Bei den Rechtfertigungsmustern für die Kolonisierung zeichnet sich ein Unterschied zwischen Bezugnahmen auf einen angeblich gerechten staatlichen Krieg gegen die Ureinwohner und der Unterstellung ab, es habe in den besetzten Gebieten keine rechtlich relevante Besiedlung gegeben, was mit Formeln wie vacuum loci oder später terra nullius umschrieben wurde, weshalb eine Aneignung durch Siedler berechtigt sei. Die erste Variante findet sich bei einigen maßgeblichen Autoren wie Francisco de Vitoria im iberoromanischen Raum, die andere ist stärker bei englischen und niederländischen Autoren vertreten. In beiden Fällen nimmt jedoch im Laufe der Zeit die Rasse eine wichtige Rolle bei der Rechtfertigung der sozialen Unterordnung indigener oder aus anderen Kontinenten deportierter Bevölkerungsgruppen ein. Das auf die Entwicklung des Rassenbegriffs gerichtete Projekt zeichnet das Zusammenwirken von Geographie, Naturrecht und Anthropologie bei der zunehmenden Säkularisierung nach, durch die eine eher metaphysische, z.T. schöpfungstheologisch untermauerte Begründung für die Verschiedenheit der Menschen zunehmend durch kulturspezifische Beobachtungen und naturwissenschaftliche, z.B. physiologische Erklärungen ersetzt wird. Eine zentrale Rolle spielen Spekulationen über die Vernunftfähigkeit unterschiedlicher Menschengruppen, ferner die Frage, ob sich diese in verschiedenen Kulturen in unterschiedlichen Entwicklungsstadien befindet sowie die allmähliche Ersetzung aus der Antike überkommener klimatischer Erklärungsmuster für die Entstehung unterschiedlicher Rassen durch genetische Modelle. Es zeigt sich bei beiden Projekten, dass Kolonialisierung und Rassendenken weder zufällig zustande kamen, noch unausweichliche Begleiterscheinungen „westlicher Rationalität“ sind.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • School of Salamanca. Entry in Stanford Encyclopedia of Philosophy. (2019)
    Matthias Kaufmann (with Th. Izbicki)
  • Wie gleich sind Personen – und Menschen? Kant über Geschlechter, Kolonisierung und Rassen, in: Jahrbuch für Recht und Ethik 2019, 183-204
    Matthias Kaufmann
  • ‘A Juridicized Language for the Salvation of Souls: Jesuit Ethics’, in: C. Casalini (Hg.), A Companion to Jesuit Philosophy on the Eve of Modernity (Leiden/Boston: Brill, 2019), 193-212
    Christoph Haar
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1163/9789004394414_010)
 
 

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