The controversy surrounding hydraulic fracturing in Germany, France, and Poland. A comparative study about the role of ecological economies of worth and civic epistemologies in current conflicts on risk
Final Report Abstract
Das Forschungsvorhaben analysierte aus risikosoziologischer und diskursanalytisch-vergleichender Perspektive Konflikte um Hydraulic Fracturing (“Fracking”) in Deutschland, Frankreich und Polen in den Jahren 2010-2017. Der Fokus richtete sich auf Konflikte, Diskussionen und Bewertungen zur ‚Risikoqualität‘ dieser Technologie in öffentlichen Debatten, Expertisen und den verschiedenen Anwendungskontexten. Das Forschungsdesign orientierte sich an der Wissenssoziologischen Diskursanalyse und deren Interesse an gesellschaftlichen Wissensverhältnissen und Wissenspolitiken. Ergänzend wurden Konzepte der Soziologie der Rechtfertigung, der „soziologischen Ballistik“ und der „civic epistemologies“ herangezogen. Es zeigten sich zeitlich parallel sehr unterschiedliche Entwicklungsverläufe. Zusammenfassend sprechen wir von der diskursiv prozessierten ‚relativen Schmutzigkeit‘ des Energieträgers Schiefergas und der ‚relativen Gefährdungspotentiale‘ des technischen Verfahrens Hydraulic Fracturing. Unsere Analyse zeigt, wie in den drei Ländern ganz unterschiedliche öffentliche Diskursivierungen und darin eingeflochtene Strategien der Wissensproduktion zum Einsatz kommen, die wir als naturwissenschaftliche-abstrakte (D), erfahrungsbasierte (P) und politische (F) Versammlung von Wissen (und Nichtwissen) bezeichnen. Die Fracking-Technologie führt damit ein je unterschiedliches diskursives Leben: In Deutschland als Fluchtpunkt einer Suche nach ultimativer Expertise, welche die Entscheidung aus der Politik in das naturwissenschaftliche Wissen verlagert; in Polen als staatlich befördertes, mit großen ökonomischen Erwartungen verknüpftes nationales Projekt, dessen Umweltauswirkungen entlang der tatsächlichen Einsätze der Technologie ‚evidenzbasiert‘ erhoben werden; in Frankreich schließlich als politisch heterogene Gemengelage, in der fehlendes Wissen, unklare Interessen, massive Protestmobilisierungen und bestehende Demokratiekonflikte zwischen nationalen und regionalen bzw. lokalen Entscheidungsebenen die politische Rationalität des Verbots begründen. Ökologische Rechtfertigungen treten als eingehegte Formen innerhalb anderer Rechtfertigungsordnungen in Erscheinung – sie werden auf das gesellschaftliche Handlungsproblem der Energieversorgung bezogen. Im Untersuchungszeitraum wurde das Verfahren in keinem der betreffenden Länder für Schiefergasförderung eingesetzt. Das hängt u.a. von den diskursiven Auseinandersetzungen ab, in denen differente Akzeptanzniveaus, Vertrauensinvestitionen und Risikoabschätzungen hervorgebracht wurden, welche wiederum Investitionskosten und mögliche Gewinne prägen, insgesamt also das Förderinteresse erhöhen oder absenken. Aus dem Projekt ergeben sich mehrere Anschlussfragen: Erstens verdeutlicht es, wie Konstellationeneffekte die gesellschaftliche Dynamik umweltbezogener Kontroversen hervorbringen. Dies gilt zweitens vergleichbar für die Rolle intervenierender Ereignisse (aktuell: Ukrainekrieg - „Autonomie von russischen Energielieferungen“) und dadurch transformierter Gelegenheitsstrukturen. Dies gilt auch für die Verflochtenheit von Diskursen und Materialitäten (etwa Schiefergasvorkommen, Schadstoffe). Die Diskursforschung ist dadurch aufgefordert, die ‚Wirkmacht‘ der Dinge theoretisch-konzeptionell einzubauen. Drittens sollten civic epistemologies als konflikthafte, dynamisch-prozesshafte, situierte und ereignisbezogen ggf. divergierende permanente diskursive Herstellungsleistungen begriffen werden, nicht als statische und eindeutige Konfigurationen. Ähnlich kann festgehalten werden, dass ‚grüne‘ Rechtfertigungsordnungen empirisch wohl vor allem in diskurspragmatisch eingehegter Form in Erscheinung treten. Damit sind zugleich wichtige Anschlussfragen benannt.
Publications
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