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Die spätquartäre Vereisungsgeschichte der ostsibirischen Arktis

Antragsteller Dr. Sebastian Wetterich
Fachliche Zuordnung Paläontologie
Förderung Förderung von 2017 bis 2021
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 317774679
 
Erstellungsjahr 2021

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Projekt sollte sich ursprünglich der Rekonstruktion der spätquartären Klima- und Vereisungsgeschichte Nordostsibiriens anhand von Probenmaterial der Insel Neusibirien widmen. Das dort an der Nordwestküste aufgeschlossene massive Grundeis sollte im Hinblick auf seine vermutete glaziale Entstehung und seines Alters untersucht werden. Die erteilten Forschungsgenehmigungen für die dafür notwendigen Feldarbeiten wurden kurz vor Expeditionsbeginn im Sommer 2018 von den russischen Behörden ohne Begründung zurückgezogen. Damit waren die für das Projekt substantiellen Feldarbeiten wie auch in den Folgejahren unmöglich. Stattdessen wurden Feldarbeiten an drei weiteren Standorten im östlichen Lenadelta und in der westlichen kanadischen Arktis realisiert. Auf Grundlage des dabei gewonnenen Probenmaterials wurden Untersuchungen zur Grundeisgeochemie, Kryolithologie und Genese im weiteren Kontext der spätquartären Klima- und Umweltgeschichte der Arktis unternommen. Die Ergebnisse von Fernerkundungsuntersuchungen zeigen, dass der jährliche Küstenabtrag in westsibirischen Untersuchungsgebieten wie auch auf Neusibirien in der ostsibirischen Arktis durch das Vorhandensein von massivem Grundeis im Untergrund zu typischen Erosionsformen – thaw slumps – führt und die Raten mit bis zu 15 m pro Jahr vergleichbar hoch sind. Damit bestimmt der geologische bzw. kryolithologische Aufbau den Abtrag und die Morphologie der Permafrostküsten. Die Erhaltung von ca. 200 000 Jahre altem (MIS 7) eisreichem Permafrost auf der südlichsten Insel des Neusibirischen Archipels, der Bol’shoy Lyakhovsky Insel, belegt, dass die für ca. 140 000 Jahre vor heute (MIS 6) postulierte Vergletscherung die ostsibirischen Schelfgebiete diesen Bereich nicht umfasste. Die maximal mögliche süd-westliche Ausdehnung der potentiellen MIS 6 Vergletscherung auf dem ostsibirischen Schelf liegt somit nord-östlich von Bol‘shoy Lyakhovsky. Spätere regionale Vereisungen sind bislang nicht nachgewiesen und durch die häufigen periglazialen Eiskomplexvorkommen auf den Neusibirischen Inseln und in den nordostsibirischen Tiefländern unwahrscheinlich. Die jüngere glaziale Klimadynamik zwischen ca. 50 000 und 25 000 Jahren vor heute (MIS 3-2) konnte anhand von stabilen Wasserisotopen in direkt radiokohlenstoff-datierten Eiskeilen von Bol‘shoy Lyakhovsky untersucht werden. Dabei wurde eine ausgeprägte Winterabkühlung von MIS 3 zu MIS 2 mit den kältesten Bedingungen (δ18O: -37‰) um 25 000 Jahren vor heute während globaler Minima im atmosphärischen CO2 und Meeresspiegel nachgewiesen. Diese extreme Winterabkühlung während des letzten glazialen Maximums (LGM) wird in Modellprojektionen des globalen LGM-Klimas nicht dargestellt wo Nordostsibirien eine auffallend geringe Abkühlung oder sogar Erwärmung der mittleren Jahrestemperaturen verglichen mit dem späten Holozän zeigt. Damit zeigt diese Studie auch, dass die Saisonalität detaillierteren Einblick in die spätquartäre Klimavariabilität geben kann und sommer- und winter-proxy basierte Untersuchen am Klimaarchiv Permafrost sinnvoll sind. Für die Datierung älterer Eiskeile (> 50 000 Jahre vor heute) konnten erfolgreich kosmogene Nuklide (Chlor-36) genutzt werden, wobei die Schwierigkeit in extrem niedrigen chemischen Ausbeuten nach der Probenaufbereitung besteht. Ein Voranreicherungsschritt durch Ionenaustausch konnte die chemische Gesamtausbeute erhöhen und dennoch die Kontamination von natürlichem Chlor geringhalten. Diese methodischen Verbesserungen in der Aufbereitung von Eiskeilproben für Chlor- 36 Analytik wurden erfolgreich implementiert und an Probenmaterial des Batagay-Megaslump angewendet. Im Vergleich der Datierungsergebnisse von Lumineszenzmethoden an Sedimenten und Chlor-36 in Eiskeilen zeigt sich, dass alter Permafrost innerhalb des unteren Eiskomplexes am Batagay-Megaslump seit dem frühen Mittelpleistozän (ca. 650 000 Jahre vor heute oder früher) erhalten geblieben ist und somit den ältesten bekannten Permafrost darstellt, der in Ostsibirien direkt datiert wurde und den zweitältesten bekannten datierten Permafrost in der nördlichen Hemisphäre: https://www.sussex.ac.uk/news/article/55581-batagay-megaslump-reveals-oldest-permafrost-in-eurasiasurvived-intense-global-warming-events https://www.awi.de/ueber-uns/service/presse/presse-detailansicht/aeltester-permafrostboden-von-sibirienentdeckt.html https://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/sibirien-forscher-finden-650-000-jahre-alten-permafrostboden-ab957b6b6-ba8f-479e-8b4e-f532679ac0a6?sara_ecid=soci_upd_wbMbjhOSvViISjc8RPU89NcCvtlFcJ Weitere Untersuchungen und Veröffentlichungen während der Projektlaufzeit widmeten sich Fragestellungen der periglazialen Landschaftsgenese in der westlichen kanadischen Arktis, in Ostsibirien sowie in der Hocharktis auf Spitzbergen und in Nordwest-Grönland.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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