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Humangeographische Forschungsperspektiven nach dem "practice turn" in den Sozialwissenschaften

Fachliche Zuordnung Humangeographie
Förderung Förderung von 2016 bis 2020
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 317780968
 
Erstellungsjahr 2024

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Netzwerkprojekt "Humangeographische Forschungsperspektiven nach dem 'practice turn' in den Sozialwissenschaften" (2016-2019) hatte zum Ziel, die Auswirkungen und Potenziale praxistheoretischer Ansätze für die Humangeographie systematisch zu erfassen und weiter zu entwickeln. Ausgangspunkt war der sogenannte "Practice Turn", ein erkenntnistheoretischer Wandel in den Sozialwissenschaften, bei dem nicht mehr primär Strukturen oder Akteure im Zentrum der Analyse stehen, sondern alltägliche Praktiken - verstanden als routinisierte Formen des Handelns, die in komplexen Wechselwirkungen mit materiellen Arrangements, Körpern, Objekten, Räumen und Zeiten stehen. Theoretisch griff das Netzwerk insbesondere auf das Konzept des Sozialen als Geflecht von "Practice-Arrangement-Bundles" nach Theodore Schatzki zurück. Dabei geht es darum, wie soziale Praktiken in konkreten räumlich-zeitlichen Konfigurationen - sogenannten "place-path-arrays" - eingebettet sind und durch materielle sowie symbolische Kontexte geformt werden. Ziel war es, auf dieser Grundlage eine stärker praxeologisch orientierte Humangeographie zu etablieren, die soziale Prozesse, Machtverhältnisse und Alltagsvollzüge als praktisches Geschehen in Raum und Zeit begreift. Das Projekt war interdisziplinär angelegt und vereinte Geograph:innen verschiedener Hochschulen, unter anderem aus Jena, Erlangen-Nürnberg und Bonn. Es strukturierte sich um drei thematische Schwerpunkte: politische Praktiken (z. B. im Kontext urbaner Governance), wirtschaftliche Transformation und Marktprozesse (z. B. durch Analyse von Marktpraktiken oder der Zirkulation von Gütern) sowie Konsumpraktiken (etwa in Bezug auf Alltagsroutinen und die Rolle materieller Objekte). Diese Themenfelder dienten als Ausgangspunkte für einen theoretisch fundierten und empirisch unterfütterten Austausch über Möglichkeiten und Herausforderungen praxeologischer Zugänge in der Geographie. Zur Förderung der wissenschaftlichen Diskussion organisierte das Netzwerk zahlreiche Workshops, Tagungen und Sitzungen bei großen Fachkongressen wie dem Deutschen Kongress für Geographie. Besonders betont wurde auch die Bedeutung methodologischer Fragen: Wie lassen sich Praktiken empirisch erfassen? Welche Rolle spielen Körper, Materialität und Affekte? Welche Erhebungsmethoden (z. B. ethnographische Verfahren, Videoanalysen, Tagebuchmethoden) eignen sich zur Analyse komplexer Handlungsvollzüge in Raum und Zeit? Ein zentrales Ergebnis der Arbeit war die Publikation des umfassenden Handbuchs "Praktiken und Raum - Humangeographie nach dem Practice Turn" (2019), das als wichtiges Referenzwerk praxeologischer Geographieforschung gilt. Es versammelt Beiträge zu grundlegenden theoretischen Konzepten, methodischen Zugängen und vielfältigen Anwendungsfeldern - von urbanen Alltagswelten bis hin zu Mobilitäts- oder Marktanalysen. Insgesamt hat das Projekt die praxistheoretische Perspektive in der deutschsprachigen Humangeographie deutlich gestärkt. Es zeigt, dass ein Fokus auf Praktiken ein tiefgreifendes Verständnis für das Zusammenwirken von Raum, Materialität, Körpern und Handeln ermöglicht - und damit neue Forschungsperspektiven eröffnet, die traditionelle Trennungen zwischen Mikro und Makro, Struktur und Handlung oder Raum und Gesellschaft überwinden helfen.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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