Die Wirkung ganzheitlicher Produktionssysteme auf Arbeitsbedingungen in globalen Produktionsnetzwerken
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das Projekt beabsichtigte, angesichts der immer offensichtlicher werdenden Durchsetzungsschwäche rein privater, auf Compliance basierenden Formen der Regulierung globaler Arbeitsstandards, das Aufkommen eines alternativen Ansatzes zur Verbesserung von Arbeits- und Lebensbedingungen in globalen Produktionsnetzwerken zu untersuchen, der auf den positiven Wirkungen der Verbreitung experimentalistischer Kollaborationsbeziehungen innerhalb globaler Produktionsnetzwerke, wie z.B. ganzheitlicher Produktionskonzepte (GPS), beruht. Das vorliegende Projekt hat durch eine explorative Studie in der Automobil- und der Schokoladenindustrie die Fragen untersucht, welche Reichweite solche kollaborativen Ansätze zur Verbesserung von Arbeits- und Lebensbedingungen in globalen Produktionsnetzwerken haben und welche spezifischen Herausforderungen und Lösungsansätze sich bei ihrer Implementierung ergeben können. Die durchgeführten Fallstudien haben in beiden Branchen die zunehmende Relevanz und positiven Wirkungen experimentalistischer Kollaboration auf Arbeits- und Lebensbedingungen bestätigen können. Die Motive und Verläufe der Implementierung folgen dabei branchenspezifischen Mustern. Wie die Fallstudie in der Automobilindustrie zeigt, folgt die Verbreitung ganzheitlicher Produktionssysteme in dieser Branche dem Ziel, die komplexen Produktionsnetzwerke, die für die Automobilindustrie im Zuge der Umstellung von rein auf Export hin zu „produce where you sell“ beruhenden Produktionsstrategien typisch werden, organisatorisch zu beherrschen. Angesichts von Grenzen klassisch topdown strukturierter Produktionskonzepte, zunehmende Unsicherheit und Dynamik erfolgreich zu beherrschen, sollen durch Einführung von GPS mehr Rekursivität und funktions- und standortübergreifende Lernprozesse erzeugt werden. In der Schokoladenindustrie entstehen experimentalistische Kollaborationsbeziehungen gegenwärtig als Reaktion von Schokoladenherstellern auf anhaltende Probleme, die aus der mangelnden Nachhaltigkeit des Kakaosektors folgen und bestehende Geschäftsmodelle langfristig bedrohen könnten. Dies führt dazu, dass viele Hersteller zur nachhaltigen Reorganisation ihrer Produktionsnetzwerke über unilaterale Codes of Conduct oder bestehende Zertifizierungssysteme hinausgehen, um die Probleme auf eine ganzheitliche und kollaborative Weise anzugehen, indem sie direkte Formen der Zusammenarbeit mit KakaofarmerInnen und/oder deren Organisationen aufbauen. Der durch die kontrastierenden Fallstudien ermöglichte Vergleich der branchenspezifischen Implementierungsverläufe hat dabei jedoch auch Rückschlüsse auf allgemeine Herausforderungen und Grenzen kollaborativer Ansätze ermöglicht. Sie beruhen auf der interessierten Teilnahme gleich einer ganzen Reihe heterogener und weit über den Betrieb oder die direkte Geschäftsbeziehung hinausreichender Akteure, ohne die kollaborative Ansätze ihre Wirkung verfehlen können. So konnte sowohl der Einfluss der klassischen Akteure der industriellen Beziehungen (Management und BeschäftigtenvertreterInnen) auf den Erfolg der Kollaboration in den Blick genommen werden, als auch der Einfluss staatlicher Regulierung in Form von Unterstützung der Vertretungsmacht der Beschäftigten oder des qualifikatorischen Upgradings, z.B. in Form nationaler (Berufs-) Bildungspolitik oder sektoraler Unterstützungsleistungen. Insgesamt ergänzen unsere Ergebnisse damit nicht nur die bestehende Forschung zu kollaborativen Ansätzen zur Verbesserung von Arbeits- und Lebensbedingungen in globalen Produktionsnetzwerken. Sie stellen darüber hinaus auch eine wichtige Ergänzung für die Debatte dar, wie Arbeits- und Lebensbedingungen in globalen Produktionsnetzwerken verbessert werden können, indem sie gegenüber statischen, wesentlich an der Entwicklung transnationaler Institutionen interessierter Ansätze auf die Fruchtbarkeit eines akteurs- und prozesszentrierten Vorgehens verweisen, in dessen Vollzug die in vielen Beiträgen ignorierte Arbeitsebene unterhalb der inter- oder transnationalen Institutionenebene wieder in den Blick gerät. Die Relevanz dieser Ebene für die Debatte herausgestellt zu haben, ist ein weiteres Verdienst der vorliegenden Studie.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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(2017): „Corporate Production Systems and the Quality of Labor”, SASE Annual Meeting, Lyon France, June 29, 2017
Patrick Feuerstein und Gary Herrigel
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(2017): „The limits of global labor governance and an emerging perspective.”, in: economic sociology - the european electronic newsletter 18 (2):6-16
Feuerstein, Patrick und Gary Herrigel