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Vom paganen zum christlichen Orakel. Divination im Alltagskontext von Christen bei Augustinus von Hippo
Antragsteller
Professor Dr. Andreas Hoffmann
Fachliche Zuordnung
Katholische Theologie
Förderung
Förderung von 2016 bis 2020
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 323295293
Das Projekt untersucht Formen der Divination im Alltag von Christen zur Zeit Augustins. Im öffentlichen und privaten Leben der griechisch-römischen Antike ist Divination außerordentlich weit verbreitet. In ihr werden nach antikem Verständnis Zeichen, die höhere Mächte spontan oder beim Orakel auf menschliche Anfrage hin geben, als Wegweisungen in Entscheidungssituationen, Schwierigkeiten und Krisen interpretiert. Wegen seiner Verwurzelung im Polytheismus und Dämonenglauben lehnen Theologen der Alten Kirche dieses Divinationswesen grundsätzlich ab, die christlichen Kaiser versuchen zunehmend es gesetzlich zu unterbinden. Dennoch lebt es auch unter Christen in der individuellen Praxis weiter fort und wird teilweise in transformierter Form kirchlich akzeptiert. Augustinus von Hippo ist ein markanter Zeuge dieses differenzierten Rezeptionsprozesses. Das Projekt zielt darauf ab, auf der Grundlage der Schriften Augustins, vor allem seiner Predigten und Briefe, ein Bild lebendiger divinatorischer Praxis im gesellschaftlichen Umfeld und im Alltagsleben von Christen zu zeichnen. Im Zentrum stehen drei Fragenkomplexe: 1. Welche Formen paganer Divination bestehen in der Lebenswelt zur Zeit Augustins weiter fort? 2. Wie werden diese Praktiken von Theologen und kirchlichen Entscheidungsträgern (Bischöfen, Synoden, Konzilien) beurteilt und wie weit werden sie von Christen im Rahmen oder außerhalb kirchlicher Normen in ihren Lebensvollzügen angewandt? 3. Welche Formen divinatorischer Praxis werden von kirchlicher Seite positiv rezipiert, wie werden sie transformiert sowie theologisch legitimiert, und für welche Lebenskontexte sind sie relevant? Die Untersuchung will somit eine Lücke in der Augustinusforschung füllen. Darüber hinaus leistet sie mit dem Fokus auf der individuellen religiösen Alltagspraxis weiterführende Beiträge zu den aktuellen Forschungsdiskursen über die Individualisierung religiöser Vollzüge, gelebte Religiosität und Konstruktion individueller Identitäten in der Spätantike. Dies erhärtet und erweitert das Modell der pluralen Identität (Markschies) des antiken Christentums. Schließlich trägt das Projekt dazu bei, die Geschichte des Divinationswesens für die christliche Spätantike im Westen des Römischen Reiches fortzuschreiben.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen