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Vom paganen zum christlichen Orakel. Divination im Alltagskontext von Christen bei Augustinus von Hippo

Fachliche Zuordnung Katholische Theologie
Förderung Förderung von 2016 bis 2020
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 323295293
 
Erstellungsjahr 2019

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Gegenstand des Projekts ist das Divinationswesen im Alltagskontext des spätantiken Afrika und seine Rezeption im Christentum bei Augustinus von Hippo. Dessen Schriften, insbesondere seine Predigten und Briefe belegen, dass das pagane Divinationswesen in Nordafrika und darüber hinaus im Westen des Römischen Reiches entgegen staatlicher Gesetzgebung und kirchlichen Normen in weiten Gesellschaftsbereichen lebendig bleibt. Augustinus erwähnt die ganze Spannbreite paganer Divination von den Zeichendeutern (haruspices, Auguren) über die inspirierten Seher (vates, fanatici, pythones/pythonissae, arrepticii) bis hin zu den Astrologen (astrologi, mathematici), Losziehern (sortilegi) und in/praecantatores. Unter staatlichem Druck wird die Divination zunehmend in den privaten Bereich abgedrängt. Von besonderem Interesse ist die in der Erforschung des lateinischen Westens vernachlässigte inspirierte Divination, die in institutionalisierten Tempelkulten üblich war und in den Widerständen gegen das Christentum eine wichtige Rolle spielt. Divinationsexperten versprechen lebenspraktische Ratschläge, Einblick in die Zukunft, Offenlegung von Verborgenem, Hilfe bei Krankheit und Seelenreinigung. Diese Angebote behalten auch für Christen ihre Attraktivität. Wie insbesondere Augustins Predigten belegen, konsultieren viele Christen pagane Divinationsanbieter. Hier spielen auch gesellschaftliche Verpflichtungen und Konventionen (Klientelverhältnisse, Feierlichkeiten, Riten z.B. zum Jahreswechsel usw.) eine Rolle. Augustinus warnt eindringlich vor diesem Verhalten und vertieft argumentativ die kirchliche Divinationskritik auch in Auseinandersetzung mit philosophischen Ansätzen (bes. gegen Porphyrios). Neben diesem Kampf ist aber auch eine transformierende Rezeption zu beobachten. Zum einen werden zentrale Begriffe des Divinationswesens aufgenommen und christlich neu gefüllt. So spricht Augustinus (wie Ambrosius u.a.) ganz selbstverständlich von den göttlichen „oracula“ der Heiligen Schriften, die von den Propheten (im weiten Sinn), Christus und den Aposteln ausgesprochen wurden. Sie finden sich auch in den Worten göttlicher Boten oder inspirierter Menschen. Zum anderen werden bestimmte Divinationstechniken adaptiert. Solche Formen entwickeln sich besonders im Kontext von Märtyrerkulten. Über Traum und Los hinaus sind inspirierte Divination (Ekstase), Inkubation, Nekromantie, Ordal und Kledonomantie belegt. Bei der Umsetzung bestanden recht große Gestaltungsspielräume. Die Befunde zur Divination erweitern und differenzieren somit die Forschungen zur „lived ancient religion“. Sie bestätigen die Annahme, dass auch von Christen in der Lebensrealität individuelle religiöse Gestaltungsspielräume genutzt und je nach sozio-kulturellen Kontexten religiöse „Mehrfachidentitäten“ ausgeformt werden. Kirchliche Autorität versucht dem durch Unterrichtung, Paränese, Normierung und innergemeindliche Kontrolle entgegenzuwirken.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Vom Furor zur Ecstasis. Augustins Ekstase-Konzeption (Gen. ad litt. 12) im Kontext antiker / spätantiker Divination, in: JbAC 61 (2018)
    Vultaggio, Cristina
  • »Oraculum«. Beobachtungen zu Konstanz und Wandel des Begriffs im antiken Christentum des lateinischen Westens, in: JbAC 61 (2018)
    Hoffmann, Andreas
 
 

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