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Abbildung komplexer akustischer Szenen im Hörkortex des Menschen: Untersuchung mittels MEG, fMRT und Psychoakustik

Fachliche Zuordnung Kognitive und systemische Humanneurowissenschaften
Förderung Förderung von 2006 bis 2015
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 32377253
 
Erstellungsjahr 2015

Zusammenfassung der Projektergebnisse

In diesem Projekt wurden neuronale Grundlagen auditorischer Szenenanalyse mit zwei bekannten Paradigmen untersucht. Als Techniken wurden Verhaltensexperimente, Magnetencephalographie (MEG) und funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRI) verwendet. Im ersten Abschnitt verglichen wir den Einfluss von Pausen im Stimulusmuster und die Regularität des Musters. Hier zeigte sich für ein einfaches Streaming-Paradigma, bei dem eine Tonsequenz aufgrund Frequenz oder Lateralisierungsunterschied zwischen den Tönen in zwei Ströme zerfällt, ein klarer Einfluss von Pausen, aber nicht von der Regularität des Musters. Der Einfluss von Pausen hängt wahrscheinlich auf neuronaler Ebene mit selektiver Adaptation zusammen, die als ein Faktor für das Streaming-Phänomen angenommen wird. Selektive Adaptation kann mit Streaming-Reizen im Hörkortex nicht-invasiv mit MEG und fMRI nachgewiesen werden. Wir untersuchten hier weiter, ob mittels fMRI selektive Adaptation für Streaming-Reize auch in Hirnstamm und Mittelhirn (in den Colliculi inferiores) beobachtet werden kann. Dies gelang aber nicht, obwohl die Aktivität im Hirnstamm mit gutem Signal- Rausch-Verhältnis abgebildet werden konnte. Weitere Untersuchungen schlossen an eine Beobachtung aus der vorangegangenen Projektphase an, dass bei einer Umkehr der bistabilen Streaming-Wahrnehmung eine transiente BOLD Aktivierung des Hörkortex erfolgt, ohne dass eine entsprechende Transiente in der akustischen Reizsequenz besteht. Um einschätzen zu können, ob diese Aktivierung direkt die Wahrnehmung eines auditorischen Ereignisses spiegelt, untersuchten hier, ob eine ähnliche Hörkortexaktivierung auch durch eine vom Probanden selbst initiierte Aufmerksamkeitsausrichtung ausgelöst werden kann (ohne assoziiertes auditorisches Ereignis). Um den Zeitpunkt dieser Aufmerksamkeitsausrichtung analysieren zu können, drückten die Probanden zeitgleich eine Taste mit der sie die Richtung der Neurausrichtung anzeigten. Unsere Ergebnisse zeigen nun zum einen, dass auditorische Aufmerksamkeitsausrichtungen mit einer transienten Aktivierung des Hörkortex assoziiert ist, die kontralateral zur Seite des Aufmerksamkeitszieles stärker ausgeprägt ist. Auch in dorsalen parietalen und frontalen Arealen findet sich Aktivität die mit der Aufmerksamkeitsausrichtung assoziiert ist. Zusätzlich fanden wir aber, dass selbst wenn die Probanden im gleichen zeitlichen Abstand eine von zwei Tasten drücken (dabei wird kein hörbares Geräusch erzeugt) und die auditorischen Reize ignorieren, eine klare transiente Aktivierung des Hörkortex registriert wird. Ob es sich dabei um eine Efferenzkopie handelt oder ob das Phänomen eine andere physiologische Grundlage hat bleibt zunächst unklar. Es zeigt sich aber klar, dass allein durch einen Tastendruck eine Aktivierung des Hörkortex möglich ist, weswegen solche Antwortepochen in auditorischen fMRI-Experimenten auch in sensorischen Arealen vorsichtig bewertet werden müssen. Weitere Versuchsreihen wurden mit einem sogenannten Change-Deafness Paradigma durchgeführt. Hierbei wird eine Szene bestehend aus multiplen Strömen dem Probanden zweimal vorgespielt, wobei bei der zweiten Präsentation mitunter ein Strom ausgelassen wird. Die Probanden müssen in jedem Durchgang anzeigen, ob ein Strom ausgelassen wurde oder nicht. U.a. konnten wir mit Szenen bestehend aus vier Sprechern zeigen, dass selektive Aufmerksamkeit für die korrekte Change-Detektion nur in bestimmten Situationen eine Rolle spielt: Wenn die Probanden instruiert werden auf einen bestimmen Sprecher zu hören, ist dessen Repräsentation im Hörkortex verstärkt, allerdings nur in Durchgängen in denen die Probanden anschließend auch das Auslassen bemerken. In Durchgängen in denen das Auslassen des Zielsprechers nicht bemerkt wird, kann auch keine verstärke Aktivierung im Hörkortex nachgewiesen werden. Allerdings wird dieses selektive Hören nicht verwendet um Änderungen zu detektieren, wenn zuvor nicht klar ist welcher der vier Sprecher potentiell ausgelassen wird. In diesem Fall zeigt sich keinerlei Unterschied in der Aktivierung zwischen den Sprechern, wenn Durchgänge in denen die Änderung bemerkt wird verglichen werden mit solchen in denen die Änderung verpasst wird. Dies geht soweit, dass die N1, die beim selektiven Hören verstärkt wird, in Durchgängen in denen ein Auslassen für alle Sprecher gleich wahrscheinlich ist überhaupt nicht beobachtet wird. Diese Ergebnisse zeigen, dass selektive Aufmerksamkeit zwar eine Rolle für Change-Detection in komplexen Szenen spielt, aber nur in bestimmten Hörsituationen. In anderen Hörsituationen wird die Änderung für die gesamte Szene festgestellt, ohne einzelne Sprecher (oder Ströme) besonders hervorzuheben. Dieses Ergebnis lässt darauf schließen, dass selektive Aufmerksamkeit nicht die wesentliche Rolle für das Change-Deafness Phänomen spielt, die man ursprünglich basierend auf Verhaltensexperimenten angenommen hatte.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2011) Transient BOLD activity locked to perceptual reversals of auditory streaming in human auditory cortex and inferior colliculus. J. Neurophysiol., 105:1977-1983
    Schadwinkel S, Gutschalk A
  • (2013) Role of pattern, regularity, and silent intervals in auditory stream segregation based on inter-aural time differences. Exp. Brain Res., 224:557-570
    Carl D, Gutschalk A
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1007/s00221-012-3333-z)
  • (2013) Time is of the essence for auditory scene analysis. eLife, e01136
    Dykstra AR, Gutschalk A
  • (2014) Functional imaging of auditory scene analysis. Hear. Res., 307:98-110
    Gutschalk A, Dykstra AR
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.heares.2013.08.003)
  • Functional magnetic resonance imaging confirms forward suppression for rapidly alternating sounds in human auditory cortex but not in the inferior colliculus. Hearing Research, Volume 335, May 2016, Pages 25-32
    Uhlig CH, Dykstra AR, Gutschalk A
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.heares.2016.02.010)
 
 

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