Nicht-invasive Mikrobiom-basierte Multi-omic Biomarker für die prodromale/Früh-Erkennung und Stratifizierung der Parkinson-Krankheit
Stoffwechselphysiologie, Biochemie und Genetik der Mikroorganismen
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Mit der Studie "Nicht-invasive Darm-Mikrobiom-basierte multi-omics Biomarker für die prodromale/Früh-Erkennung und Stratifizierung der Parkinson-Krankheit" wurde folgende Forschungsfrage untersucht: Ist die Zusammensetzung der Bakterien-Stämme im Darm von Patienten verändert, die entweder bereits an der Parkinson-Krankheit (PK) leiden oder diese mit hoher Wahrscheinlichkeit in den nächsten 10-15 Jahren erleiden werden ? Die Verbindung zwischen dem Magen-Darm-Trakt und der PK ist keine neue Erkenntnis. Gastrointestinale Störungen zählen zu den häufigsten und die Lebensqualität der Parkinson-Patienten stark beeinflussenden nicht-motorischen Symptomen. Inzwischen haben wir ein besseres, wenn auch noch recht rudimentäres Verständnis davon, wie Gehirn und Darm Informationen austauschen. Das enterische Nervensystem (ENS) steht über den Nervus vagus mit dem zentralen Nervensystem in Verbindung. Neben der neuronalen Verbindung kommunizieren Gehirn und Darm aber auch über immunvermittelte Prozesse und die Ausschüttung von Signalmolekülen, wobei für diesen Kommunikationsweg Darmbakterien eine wichtige Rolle spielen: das Darm-Mikrobiom (die Gesamtheit der Mikroorganismen im Darm und deren metabolische Fähigkeiten) kann so viele höhere Hirnfunktionen (wie Stimmung, Schlaf, Gedächtnis, ...) modulieren. Experimentelle Arbeiten zeigen, dass das ENS mit dem nigrostriatalen Dopaminsystem in direkter Verbindung steht: beispielsweise führten im Tiermodell reduzierte zentrale Dopamin-Spiegel zu weniger Dopaminrezeptoren, aber zugleich zu höheren Dopamin- und niedrigeren Acetylcholin-Spiegeln im ENS. Dieselbe Studie wies bei einer Läsion im nigrostriatalen dopaminergen System erhöhte Marker von oxidativem und inflammatorischem Stress im Enddarm nach. Umgekehrt führte die experimentelle Induktion einer intestinalen Entzündung zu einem vermehrten Zelluntergang dopaminerger Neurone in der Substantia nigra. Nachdem erkannt worden war, dass das Darmmikrobiom für unsere Hirnfunktion und für neurologische Erkrankungen relevant ist, kam die Frage auf, ob auch Parkinson Patienten (im Vgl. zu nicht-erkrankten Personen) eine andere Zusammensetzung der Darm-Mikrobiota haben. 1) Die PK zeichnet sich durch das Vorliegen einer verlangsamten Bewegungsfolge, ein meist beidseitiges, aber asymmetrisches Zittern in Hand, Arm, Bein und/oder Fuß in Ruhe und einem Steifigkeitsgefühl aus. Die PK ist - nach der Alzheimer Erkrankung - die zweithäufigste langsam voranschreitende, bisher nicht heilbare Erkrankung des Nervensystems. 2) Das Besondere an der hier vorgestellten Studie ist, dass nicht nur Personen teilgenommen haben, bei denen die oben beschriebenen Störungen bereits aufgetreten sind (manifeste PK), sondern auch Personen, die an einer sogenannten REM-Schlafverhaltensstörung (abgekürzt RBD) leiden. Personen, die eine RBD aufweisen, bewegen sich im Traum (normalerweise bewegt der Mensch sich im Traum nicht). Die Träume bei den RBD-Patienten sind meistens aggressiven Inhaltes und entsprechend sehen die Bewegungen und auch Lautäußerungen der RBD-Patienten im Traum aus - wie bei einem Angriff oder einer Verteidigung. Nun ist seit mindestens 15 Jahren bekannt, dass Personen mit einer RBD das Risiko besitzen, zu mehr als 85% innerhalb von 10-15 Jahren an einer PK zu erkranken. Die RBD ist demnach die derzeit spezifischste Vorstufe eines Untertyps der PK, und zwar derjenigen Untergruppe, bei der man einen Ursprung der Erkrankung im Darm vermutet. Die hier vorgestellte Studie ist weiterhin die einzige Studie weltweit, bei der dieses (prodromale=) RBD-Vor-Stadium der PK mit untersucht wurde. 3) Da bei der RBD der Darm als (ein) Ursprungsort der später sich entwickelnden PK angenommen wird, hat die hier vorgestellte Studie das Mikrobiom des Darmes mit hoch-komplexen Verfahren untersucht. Der Begriff Darm-Mikrobiom umfasst alle Mikroorganismen (Bakterien, Viren, Pilze), die im Darm des Menschen vorkommen. 4) Unter dem Begriff "Multi-omics" versteht man ein biologisches Verfahren, das es erlaubt, gleichzeitig die genetische, Protein- oder metabolische Information in z.B. allen Bakterien im Darm zu analysieren und auf diesem Wege Biomarker (eindeutige Hinweise) für die PK im Vorstadium und im manifesten Stadium zu identifizieren. Mikrobiota in schnell-tiefgefrorenen Stuhlproben von 76 Parkinson-Patienten, 21 RBD-Patienten und 78 gesunden Kontrollen wurden mit der 16S und 18S ribosomalen RNA Amplicon-Sequenzierungstechnik untersucht. Insgesamt wurden 208 16S r-RNA Datensätze, 208 18S r-RNA Datensätze, 130 metagenome Datensätze und 130 metatranscriptome Datensätze erstellt und analysiert. Die Mikrobiom-Daten wurden mit 79 klinischen Parametern korreliert. Mehrere Bakterienstämme lagen im Stuhl von Parkinson-Patienten - im Vergleich zu gesunden Kontrollen - vermehrt vor (z.B. Akkermansia). 80% der bei Parkinson-Patienten erhöhten Bakterienstämme waren entweder leicht oder eindeutig auch im Stuhl von RBD-Patienten erhöht. Die Erhöhungen korrelierten mit nicht-motorischen Symptomen. Die Zusammensetzung des Darm-Mikrobioms ist bei Parkinson-Patienten eindeutig verändert. Diese Veränderung ist bereits im Vorstadium der PK, d.h. bei RBD-Patienten nachweisbar. Weitere Untersuchungen konzentrieren sich darauf, 1) welche Rolle die veränderte Zusammensetzung des Darm-Mikrobioms auf die Durchlässigkeit und Entzündungsvorgänge im Darm besitzen könnte und 2) ob diese Veränderungen z.B. mit diätetischen Maßnahmen wieder normalisiert werden können. Es wurde systematisch nach bakteriellen Genen gesucht, die die Produktion von Virulenz-Faktoren, mikrobialen Toxinen und eine antimikrobiale Resistenz steuern. Diese Studien laufen derzeit. Unerwartet wurde eine erhöhte Konzentration der bisher nicht charakterisierten Verbindung 2-Hydroxy-Pyridin (2HP) im Stuhl von Parkinson- und RBD-Patienten nachgewiesen. Diese Verbindung ist ein Abbauprodukt des Insektizides Chlorpyrifos, einer (bis vor kurzem) weltweit eingesetzten Verbindung. In mehreren experimentellen Forschungsprojekten wird in Homogenaten des Gehirns, in der Zellkultur und im Tiermodell geprüft, inwieweit die Verbindung 2-Hydroxy-Pyridin (2HP) 1) die Aggregation von alpha-Synuklein fördert und/oder 2) zu einer Schädigung oder sogar zum Verlust von dopaminergen Neuronen führt. Weiterhin wird untersucht, ob die Verbindung 2HP bei Parkinson-Patienten im Körper selbst, d.h. im Darm oder auch Gehirn hergestellt werden kann oder ob 2HP hauptsächlich aus der Umwelt stammt. Zusammenfassend erlaubt der Nachweis einer erhöhten Konzentration von 2HP im Stuhl von prodromaler und manifester PK die Hypothese zu prüfen, inwiefern diese Verbindung das Auftreten der Parkinson-Krankheit bedingt oder zumindest fördert.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- The nasal and gut microbiome in Parkinson’s disease and idiopathic rapid eye movement sleep behavior disorder Movement Disorders 2018 Jan;33(1):88-98
Heintz-Buschart A, Pandey U, Wicke T, Sixel-Döring F, Janzen A, Sittig-Wiegand E, Trenkwalder C, Oertel WH, Mollenhauer B, Wilmes P
(Siehe online unter https://doi.org/10.1002/mds.27105)