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Topologische Phasenübergänge und Nahrungssuche des Schleimpilzes Physarum polycephalum
Antragsteller
Professor Hans-Günther Döbereiner, Ph.D.
Fachliche Zuordnung
Statistische Physik, Nichtlineare Dynamik, Komplexe Systeme, Weiche und fluide Materie, Biologische Physik
Förderung
Förderung von 2017 bis 2023
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 324443031
Der einzellige Schleimpilz Physarum polycephalum ist ein amöboides, vielkerniges Plasmodium. Er kann mehrere Quadratmeter groß werden und bildet ausgedehnte Adernetzwerke. Struktur und Dynamik während der Nahrungssuche hängen unter anderem von den Umweltbedingungen ab. Es konnte gezeigt werden, dass Transportnetzwerke von P. polycephalum komplexe Aufgaben lösen können, beispielsweise den kürzesten Weg durch ein Labyrinth finden oder Netzwerke im Hinblick auf Effizienz optimieren. Ebenso gibt es Hinweise, dass Schleimpilze lernfähig sind. Es ist bislang unbekannt, wie dieses emergente Verhalten aus einem Zusammenspiel von grundlegenden zellulären Prozessen entsteht. Wir haben Experimente und theoretische Beschreibungen entworfen um die Lücke zwischen dem beobachteten Verhalten des Organismus und den physikalischen Eigenschaften seiner weichen Materie zu schließen. Als Ausgangspunkt dienen Mikroplasmodien (MP), die durch Scherung eines Plasmodiums in Flüssigkultur entstehen. Diese kleinen Amöben fusionieren auf einer Agar-Oberfläche. Unter nährstoffreichen Bedingungen bilden die MP durch Perkolation sofort ausgedehnte Adernetzwerke. Ohne Glukose fusionieren die MP zunächst zu sogenannten Satelliten, die sternförmig von ihrem Ursprungsort ausschwärmen. Einige Stunden später werden die Satelliten stationär, bilden Löcher und formen schließlich ebenfalls Netzwerke. Bei beiden Pfaden gibt es topologische Phasenübergänge, bei denen die Anzahl der Verbindungen und Knoten sich auf charakteristische Art und Weise ändert. Es ist das Ziel dieses Antrages, die Dynamik und Statik dieser Übergänge zu beschreiben und zu analysieren. Zur Charakterisierung der Netzwerkstrukturen vor, während und nach den Phasenübergängen wenden wir Graphen- und Skalentheorien an. Die globale Netzwerkdynamik soll mittels einer Mastergleichung modelliert werden. Experimentell variieren wir Nährstoffbedingungen, Anfangsdichten der MPs und Steifigkeit des Substrats. Das Plasmodium besteht zum Großteil aus externen oder internen Adern, die als peristaltisch pumpende Pipelines Nährstoffe und chemische Signale durch den Zellkörper transportieren. Unser Ziel ist es, die wechselseitigen Interaktionen zwischen Zytoplasmafluss und der Topologie des Netzwerkes zu entschlüsseln. Dafür ist es notwendig, sowohl einen Überblick über die globale Netzwerkstruktur zu erlangen, als auch mikroskopische Details des Cytoskeletts und des Flusses sichtbar zu machen. Ein Mikroskop mit motorisiertem Zoom und Inkubationskammer ist hierfür ein ideales Instrument. Es erlaubt Langzeitbeobachtungen der Netzwerke bei hoher zeitlicher Auflösung und gleichzeitig den schnellen Wechsel zwischen verschiedenen Vergrößerungen, um auch Details hochaufgelöst darstellen zu können. Damit wird es möglich, globale Netzwerkstrukturen und die Dynamik der Nahrungssuche mit klein-skaligen intrazellulären Prozessen in Verbindung zu setzen.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen
Großgeräte
Live Cell Time Lapse Mikroskop
Gerätegruppe
5000 Labormikroskope