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Kinokultur in Warschau 1895/6-1939 in transnationaler Perspektive

Antragstellerin Dr. Karina Pryt
Fachliche Zuordnung Theater- und Medienwissenschaften
Förderung Förderung von 2016 bis 2022
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 325534972
 
In den letzten Jahren machte sich innerhalb den Kultur- und Sozialwissenschaften eine Abkehr von den dominierenden auf die Nation und Nationalkultur ausgerichteten Erzählungen bemerk-bar. Eine wichtige methodische Hilfe leistete hierbei der fachübergreifende spatial turn, mit dem der Raum als Paradigma angenommen und neue Perspektiven geschaffen wurden. Das vorliegende interdisziplinäre Projekt, das sich an der Schnittstelle von Filmwissenschaft und Geschichtswissenschaft ansiedelt, möchte das Potenzial des Raumes am Forschungsobjekt erproben. Ziel ist es, die Kinokultur, die um die Jahrhundertwende im multiethnischen Warschau entstand und durch Krieg und Holocaust vernichtet wurde, möglichst wirklichkeitsnah zu rekonstruieren. Zugleich geht es darum, die kognitive polenzentriete Landkarte dieser Unterhaltungsform, die durch ältere filmhistorische und stadtgeschichtliche Studien nahegelegt wurde, einer kritischen Revision zu unterziehen. Transnationale Verflechtungen zwischen der örtlichen Branche und den global agierenden Filmunternehmen rücken genauso in den Mittelpunkt wie die kulturelle und sprachliche Vielfalt der Produzenten und Konsumenten dieser leichten Unterhaltung, von denen ein bedeutender Teil jüdisch war. Das Augenmerk richtet sich auch auf verschiedene politische Kräfte sowie auf soziokulturelle und soziolinguistische Normen, die in das Geschäfts- und Kulturfeld hineinwirkten. Das Vorhaben strebt hierfür eine Sozial- und Kulturgeschichte der Filmbrache, des Kinos und des Kinopublikums an, die den Anforderungen der konstruktivistischen Nationalismusforschung und der transnationalen Geschichtsschreibung nachkommt. Hierfür wird in der Raumperspektive ein neuer interdisziplinärer Zugang vorgeschlagen. Dieser verbindet die New Cinema History der Filmwissenschaften mit der historischen Stadtforschung und übernimmt wichtige Impulse von den jüdischen Studien sowie von dem iconic turn der Geschichtswissenschaften. Räumliche Datenerhebungen werden mit dem Geographischen Informationssystem (GIS) gezielt geordnet und für Kartierungsverfahren benutzt. Es wird beabsichtigt, die Topographie der Freizeitkultur, Kinoprogramme und Filmaufführungsmuster zu ermitteln sowie Kinos in ihrer Funktion als soziale Räume zu untersuchen. Schließlich werden visuelle Darstellungen der Kinokultur in Warschau einer bildwissenschaftlichen Analyse unterzogen. Das Augenmerk richtet sich auf Visulisierungsvorgänge und auf Veränderungen von räumlichen Zusammenhängen, von politischen und soziokulturellen Normen, in die die Kinokultur und deren visuelle Darstellungen eingebunden waren. Das Projekt schließt hiermit eine Lücke in der Kinogeschichte und Kulturgeschichte Zentraleuropas und trägt zur New Cinema History sowie zur historischen Stadtforschung bei. Es legt auch ein Mosaikstein im komplexen und widerspruchsvollen polnisch-jüdischen Beziehungsgeflecht frei.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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