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Untersuchung kontextueller Einflüsse auf die Objekterkennung mittels Steady-state-visuell-evozierten Potentialen

Fachliche Zuordnung Allgemeine, Kognitive und Mathematische Psychologie
Förderung Förderung von 2016 bis 2020
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 325597884
 
Erstellungsjahr 2021

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Projekt hat es sich zum Ziel gesetzt, die neuronalen Grundlagen der sogenannten „Gist“ Wahrnehmung zu untersuchen. Gist meint dabei das Wesentliche einer Szene. So führt zum Beispiel der Anblick eines Eisbären in einer Winterlandschaft zur Wahrnehmung der Gist „Polarszene“. Die Wahrnehmung einer Maus neben einem Stück Käse induziert eine stärkere Gist Wahrnehmung als die Präsentation eines Käses zusammen mit einem Fahrrad. Ein grundlegendes Problem bei solchen Untersuchungen ist es, die Hirnantworten, die von zwei (oder mehreren) Elementen einer Szene hervorgerufen werden, getrennt voneinander zu quantifizieren. Konventionelle neurowissenschaftliche Methoden, wie etwa das ereignis-korrelierte Potential im EEG, spiegeln immer die Überlappung der Verarbeitung des gesamten sensorischen Inputs wider. Wir haben deshalb die sogenannte SSVEP (Steady-state visuell evoziertes Potential) Methode verwendet. Das SSVEP ist eine oszillatorische Hirnantwort, die in Reaktion auf einen flickernden Reiz mit dem EEG erfasst werden kann. Das SSVEP zeichnet sich dabei durch die gleiche Frequenz aus, wie der externe Schrittmacher (d.h. der flickernde Stimulus). Dabei ist es möglich verschiedene Reize mit verschiedenen Frequenzen zu markieren und -mit geeigneten Analysetechniken im Frequenzraum- die Hirnantworten auf diese Reize, getrennt voneinander zu analysieren. In einem ersten Schritt des Projekts (Experiment 1) haben wir zunächst validiert, dass das SSVEP sensitiv auf semantische Eigenschaften eines Reizes reagiert und damit geeignet ist, um die semantischen Beziehungen zwischen Reizen zu untersuchen (d.h. die Gist). In zwei weiteren Experimenten haben wir zum einen die neuronalen Grundlagen der lokalen Gist Verarbeitung (vgl. das Maus-Käse Beispiel; Experiment 2) und zum anderen die globale Gist Verarbeitung (vgl. das Beispiel Eisbär auf dem Hintergrund Winterlandschaft, Experiment 3) untersucht. Die Experimente 1 und Experiment 2 konnten bereits veröffentlicht werden. Die Veröffentlichung von Experiment 3 hat sich corona-bedingt verzögert, ist allerdings in Vorbereitung. Die wichtigsten Erkenntnisse aus den Studien sind die Folgenden: (A) Aus methodischer Perspektive hat es sich gezeigt, dass es möglich ist die SSVEP Technik zur separaten Untersuchung der konstituierenden Elemente einer Szene einzusetzen. Das SSVEP konnte somit als leistungsfähiges Instrument zur Untersuchung komplexer Reizkonfigurationen etabliert werden. (B) Unsere Ergebnisse legen nahe, dass die Gist Wahrnehmung auf einer parallelen und vorwärts gerichteten kortikalen Verarbeitung basiert, die bereits in frühen sensorischen Arealen beginnt. (C) Die oszillatorischen Hirnsignale, die von multiplen Reizanordnungen hervorgerufen werden, sind begleitet von einer Aktivierung im Bereich der sogenannten Intermodulationsfrequenz (d.h. einem Signal in einem Frequenzbereich, der sich durch eine lineare Kombination der ursprünglich evozierten Frequenzen ergibt). Diese Intermodulationsfrequenzen indizieren -so zumindest unsere initiale Interpretation- die Aktivierung eines Netzwerkes, das sich aus der Überlappung der Netzwerke ergibt, die die einzelnen Objekte einer Szene repräsentieren. In anderen Worten: die Aktivierung eines kortikale „Gist Netzwerk“ spiegelt sich in der Intermodulationsfrequenz wider. In einem nächsten Schritt sollte ursprünglich geklärt werden, welche spezifischen Gedächtnisprozesse und -systeme für die Aktivierung des kontextuellen Wissens verantwortlich sind, das in einer Gist Wahrnehmung resultiert. In unserem initialen Antrag hatten wir zur Beantwortung dieser Frage drei weitere Experimente vorgeschlagen. Wir hoffen diese Experimente im Rahmen eines Folgeprojektes durchführen zu können.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Electrophysiological correlates of gist perception: A steady state visually evoked potentials study. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Psychologie 2018, Frankfurt
    Radtke; E., Martens, U. Gruber, T., Schöne, B.
  • Electrophysiological correlates of semantic aspects of cortical object representations: A steady state visually evoked potentials (SSVEP) study. Annual meeting of the Society of Psychophysiological Research 2019, Washington, USA
    Radtke, E., Martens, U., Schöne, B., Gruber, T.
  • Electrophysiological correlates of semantic aspects of cortical object representations: A steady state visually evoked potentials (SSVEP) study; Psychologie und Gehirn 2019, Dresden
    Radtke, E., Martens, U., Schöne, B., Gruber, T.
  • (2020): Electrophysiological correlates of gist perception: A steady-state visually evoked potentials study, Experimental Brain Research, 238, 1399–410
    Radtke, E., Schöne, B., Martens, U., Gruber, T.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1007/s00221-020-05819-6)
  • (2021): The steady-state visual evoked potential (SSVEP) reflects the activation of cortical object representations: Evidence from semantic stimulus repetition, Experimental Brain Research, 239, 545–55
    Radtke, E., Martens, U., Gruber, T.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1007/s00221-020-05992-8)
 
 

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