Wir riefen Arbeitskräfte, es kamen Menschen, die Fußball spielten. Sport, Immigration und Integration im Frankreich und Westdeutschland der langen 1960er Jahre
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das Projekt behandelte die Relevanz fußballerischer Aktivitäten für die gesellschaftliche Integration von Arbeitsmigranten in den langen 1960er Jahren. Besonders mit Blick auf die Geschichte der Bundesrepublik förderte die Untersuchung neue Erkenntnisse zutage, die zeigen, dass etliche, bis heute in der bundesdeutschen Gesellschaft etablierten Narrative begründet zu hinterfragen sind: Bereits in den 1960er Jahren war sich beispielsweise das Gros der Politiker und Politikerinnen durchaus bewusst, dass viele unter den "Gastarbeitern" im Aufnahmeland bleiben würden. Ebenso die Funktionäre in den Gremien des Deutschen Fußball-Bunds (DFB), die nach und nach daran gingen, Konzepte zu entwickeln, um zugewanderten Menschen eine gesellschaftliche Integration über eine Integration in den Sport zu ermöglichen. In der Praxis freilich hatte der Fußball für die erste Generation der Eingewanderten - und dies entgegen damals wie heute dominanten Diskursen, Sport und besonders Fußball wirke integrierend - zunächst eher separierende Effekte: Die Migranten gründeten eigene Klubs, die vielerorts in eigenständigen "Ausländerligen" gegeneinander antraten, und verharrten im vertrauten soziokulturellen Milieu. Die Integrationsbemühungen des DFB scheiterten häufig auch am Engagement der Entsendestaaten, die über den Fußball die Heimatbindung der Einwanderungsgruppen aufrechterhalten wollten. In einer längerfristigen Perspektive - und dies kann als zentrales Ergebnis des Projekts gelten - trug der Fußball jedoch aufgrund seiner indirekten Wirkungen (Gründen von Vereinen, Verhandeln mit Kommunalverwaltungen, Reisen zu Auswärtsspielen, Organisieren von (Sport-)Festen, etc.) wesentlich zum Beheimatungsprozess der Migranten und Migrantinnen bei. Auch wenn sich die im Projekt anvisierte transnational-vergleichende deutsch-französische Perspektive angesichts der Corona-bedingten Zugangsbeschränkungen für (Quellen-)Materialien aller Art nicht im geplanten Umfang berücksichtigen ließ, bestätigte sich dennoch die Arbeitshypothese, dass die länderspezifischen Unterschiede in den fußballerischen Exklusions- bzw. Integrationspraktiken weitaus weniger stark ausfielen, als dies die divergierenden Einwanderungstraditionen und "Einwanderungslanddiskurse" nahelegen. Auch für Frankreich sind zunächst eher desintegrative Effekte festzustellen, die allerdings das liberalere Staatsbürgerschaftsrecht und der geringere politische Einfluss einzelner Entsendestaaten etwas rascher abzumildern vermochten. Der für Westdeutschland mittelfristig zu konstatierende Integrationsfaktor "Jugendarbeit" innerhalb etablierter Sportvereine lässt sich für den französischen Fall gleichermaßen hervorheben, während der Faktor "Schiedsrichterwesen" dort weniger ins Gewicht fiel. Der fraglos wichtigste indirekte Effekt aktiver Fußballpraktiken war aber - und dies gilt wieder für die Bundesrepublik wie für Frankreich - das damit erzielte Steigern des "Wohlfühlfaktors" und des eigenen Selbstbewusstseins unter den Migrantengruppen, die sich die neue räumliche und soziale Umgebung eben auch fußballerisch als etwas mehr und mehr Vertrautes aneigneten.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Fußfassen durch Fußball in der Fremde? – Arbeitsmigration und Amateurfußball im Frankreich und Westdeutschland der langen 1960er Jahre, in: Dietmar Hüser / Jean-Christoph Meyer / Pierre Weiss (Hg.): Fußball und Diversität in Frankreich und Deutschland, Lendemains – Études comparées sur la France – Vergleichende Frankreichforschung, Jg. 41. 2016, Ausg. 161, S. 7–18.
Hüser, Dietmar, Baumann, Ansbert
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Spiegel gelungener Integration? Wie Fußball und Migration in Frankreich und Deutschland zusammenhängen / Reflet d’une intégration réussie ? Les relations entre le football et l’immigration en France et en Allemagne. Dokumente/Documents – Zeitschrift für den deutsch-französischen Dialog, 3. 2018, S. 16-21.
Baumann, Ansbert
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Migration|Integration|Exklusion - Eine andere deutsch-französische Geschichte des Fußballs in den langen 1960er Jahren. Edition lendemains, Band 48. 2020, 300 S., ISBN: 978-3-8233-8294-2 (Print), ISBN: 978-3-8233-9294-1 (eBook).
Hüser, Dietmar, Baumann, Ansbert
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Wir wollen einen sauberen jugoslawischen Fußball spielen!“ Die Jugoliga Baden-Württemberg – Nation-building in der Fremde?, in: Frank Jacob u. Alexander Friedman (Hg.), Fußball. Identitätsdiskurse, Politik und Skandale. Geschichte in Wissenschaft und Forschung. 2020, 300 S., ISBN: 978-3-17-037757-8, S. 105-130.
Baumann, Ansbert
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Mehr Integration? Fußball und Arbeitsmigranten in der Bundesrepublik Deutschland 1955 bis 1973. Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, Bd. 70. 2022, Heft 1, S. 63-86.
Baumann, Ansbert