Detailseite
Projekt Druckansicht

Die kardiale autonome Dysfunktion bei Patienten mit Schizophrenie

Fachliche Zuordnung Biologische Psychiatrie
Förderung Förderung von 2016 bis 2022
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 326337412
 
Erstellungsjahr 2022

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Herz-Kreislauf-Erkrankungen tragen signifikant zu einer reduzierten Lebenserwartung von Patienten mit Schizophrenie bei. In diesem Projekt untersuchten wir mögliche Ursachen und Auswirkungen der kardialen autonomen Dysfunktion in der Schizophrenie. Patienten zeigten eine Dominanz des sympathischen Systems und eine Reduktion des vagalen Einflusses auf die Herzaktivität. Schnelle autonome Reflexe, welche die Herzfrequenz an Atmung und Blutdruckschwankungen anpassen, waren bei Patienten deutlich abgeschwächt. Eine erhöhte T-Wellen-Alternans im 12-Kanal-EKG deutete auf eine gestörte Erregungsrückbildung und erhöhte Vulnerabilität des Myokards hin, die bei Patienten mit erhöhter Symptomausprägung stärker verändert war. Während körperlicher Belastung scheint die kardiale Dysfunktion dazu zu führen, dass sich das Herz-Kreislauf-System nicht an die Anforderungen anpassen kann. In einem Teil unserer Patienten konnten wir eine chronotrope Inkompetenz nachweisen, die sich auch durch ein 12-wöchiges aerobes Training nicht verbesserte. Genetische Faktoren scheinen das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Schizophrenie zu verbinden. So konnten wir bei gesunden Verwandten ersten Grades ebenfalls eine eingeschränkte kardiale Funktion nachweisen. Außerdem untersuchten wir einen möglichen Zusammenhang der kardialen Dysfunktion mit Einzelnukleotid-Polymorphismen der Gene HCN1 und CHRM2, welche bedeutende Prozesse der Erregbarkeit des Herzens und der Modulation der Schlagfrequenz kodieren. Beide Untersuchungen lieferten Hinweise auf eine mögliche Rolle dieser beiden Gene auf die kardiale autonome Funktion bei Patienten mit Schizophrenie. Unsere Ergebnisse legen eine vererbliche Komponente der autonomen Dysfunktion und des erhöhten kardialen Risikos nahe. Im Großhirn wird die kardiale Aktivität durch das zentrale autonome Netzwerk reguliert. Mittels Magnetresonanztomographie konnten wir einen Zusammenhang zwischen funktioneller Konnektivität im zentralen autonomen Netzwerk und der Ruheherzfrequenz zeigen. Mit der sehr guten zeitlichen Auflösung des Elektroenzephalogramms haben wir die dynamische Kovariation von Hirnaktivität und Schwankungen der Herzfrequenz untersucht. Dabei ließ sich nachweisen, dass bei Patienten der zentrale Einfluss des Gehirns auf die kardiale Funktion im Vergleich zu gesunden Kontrollen deutlich geringer ausfällt. Veränderungen im Neurotransmitter-Haushalt können eine Ursache für veränderte Interaktionen zwischen Hirnarealen darstellen. In der Pathophysiologie der Schizophrenie scheint eine eingeschränkte Funktion oder Synthese von Neurotransmittern eine wichtige Rolle zu spielen. Die Aktivierung von Neurotransmitter-produzierenden Kernen im Hirnstamm/Mittelhirn geht ebenfalls mit einer Aktivierung des autonomen Systems einher. Wir konnten in MRT-Untersuchungen feststellen, dass eine eingeschränkte kognitive Leistungsfähigkeit in den Domänen inhibitorische Kontrolle und auch Arbeitsgedächtnis mit einer gestörten Aktivierung des noradrenergen und serotonergen Systems bei Patienten mit Schizophrenie einhergeht. Außerdem konnten wir einen Einfluss auf funktionelle Netzwerke im Großhirn zeigen, welchen wiederum an der zentralen Steuerung der kardialen Funktion und kognitiven Prozessen beteiligt sind.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • 2017. Cardiac Autonomic Dysfunction in Patients with Schizophrenia and Their Healthy Relatives, in: Jelinek, H.F., Cornforth, D.J., Khandoker, A.H. (Eds.), ECG Time Series Variability Analysis. CRC Press, New York, pp. 345–358
    Bär, K.-J., Schulz, S., Voss, A.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.4324/9781315372921-16)
  • 2017. ECG derived respiration: comparison of time-domain approaches and application to altered breathing patterns of patients with schizophrenia. Physiol. Meas. 38, 601–615
    Schmidt, M., Schumann, A., Müller, J., Bär, K.J., Rose, G.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1088/1361-6579/aa5feb)
  • 2018 Multivariate assessment of the central cardiorespiratory network structure in neuropathological disease. Physiol Meas. 39(7), 074004
    Schulz, S., Haueisen, J., Bär, K.J., Voss A.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1088/1361-6579/aace9b)
  • 2018. The use of physiological signals in brainstem/midbrain fMRI. Front. Neurosci. 12, 1–12
    Schumann, A., Köhler, S., de la Cruz, F., Güllmar, D., Reichenbach, J.R., Wagner, G., Bär, K.J.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.3389/fnins.2018.00718)
  • 2019 Activation of brainstem and midbrain nuclei during cognitive control in medicated patients with schizophrenia. Hum. Brain Mapp. 40(1), 202-213
    Köhler, S., Wagner, G., Bär, K.J.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1002/hbm.24365)
  • 2020. Functional consequences of acute tryptophan depletion on raphe nuclei connectivity and network organization in healthy women. Neuroimage. 207, 116362
    Bär, K.J., Köhler, S., Cruz, F., Schumann, A., Zepf, F.D., Wagner, G.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.neuroimage.2019.116362)
  • 2020. The Cardiorespiratory Network in Healthy First-Degree Relatives of Schizophrenic Patients. Front Neurosci, 14:617
    Schulz, S., Haueisen, J., Bär, K.J., Voss, A.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.3389/fnins.2020.00617)
  • Brain-heart interactions considering complex physiological data: Processing schemes for time-variant, frequency-dependent, topographical and statistical examination of directed interactions by convergent cross mapping. Physiol. Meas. 40. 2020
    Schiecke, K., Schumann, A., Benninger, F., Feucht, M., Bär, K.J., Schlattmann, P.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1088/1361-6579/ab5050)
  • 2021. A common variation in HCN1 is associated with heart rate variability in schizophrenia. Schizophr. Res. 229, 73–79
    Refisch A, Chung HY, Komatsuzaki S, Schumann A, Mühleisen TW, Nöthen MM, Hübner CA, Bär KJ
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.schres.2020.11.017)
  • 2021. Working memory in schizophrenia : The role of the locus coeruleus and its relation to functional brain networks. Brain and Behavoir 11, 1–16
    Suttkus, S., Schumann, A,, De la Cruz, F., Bär, K.J.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1002/brb3.2130)
  • 2022. Associations of common genetic risk variants of the muscarinic acetylcholine receptor M2 with cardiac autonomic dysfunction in patients with schizophrenia. World J Biol Psychiatry. 9, 1-11
    Refisch A, Komatsuzaki S, Ungelenk M, Chung HY, Schumann A, Schilling SS, Jantzen W, Schröder S, Mühleisen TW, Nöthen MM, Hübner CA, Bär KJ
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1080/15622975.2022.2043561)
 
 

Zusatzinformationen

Textvergrößerung und Kontrastanpassung