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Nasale Koartikulation und Lautwandel: eine Echtzeit-MRT-Studie

Fachliche Zuordnung Allgemeine und Vergleichende Sprachwissenschaft, Experimentelle Linguistik, Typologie, Außereuropäische Sprachen
Förderung Förderung seit 2017
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 327766007
 
Sprachproduktion ist äußerst kontextabhängig aufgrund der zeitlichen Überlappung und gegenseitigen Beeinflussung aufeinanderfolgender Laute. Dies gilt auch für Lautsequenzen, in denen ein Vokal von einem nasalen Konsonanten gefolgt wird: Das für die Produktion eines Nasals erforderliche Absenken des Velums wird bereits während des Vokals initiiert, d.h. noch vor dem oralen Verschluss des Nasals. Somit sind Vokale in vielen Sprachen meist stärker in nasaler Umgebung nasaliert als in oralem Kontext. In einigen Sprachen, wie z.B. Französisch, entwickelte sich aus dieser Art phonetischer Variation ein nasaler-oraler Kontrast im Vokal, wobei der folgende Nasal mit der Zeit verschwand. Um die Phonologisierung von Nasalierung erklären zu können, ist ein grundlegendes Verständnis davon erforderlich, wie sich die beiden primären Artikulatoren eines nasalen Konsonanten – das Velum und die beim oralen Verschluss beteiligte Zunge oder Lippen – voneinander lösen, wie etwa in Frz. main (‘Hand’) /mɛ̃/ von Latein manus: Zunächst war der alveolare Kontakt während /n/ vermutlich lenisiert und entfiel später ganz, während der Vokal zunehmend nasaliert wurde. Ziel dieses Projekts ist es, die zugrundeliegenden Bedingungen zu bestimmen, welche die Assoziation eines oralen Vokals in nasaler Umgebung mit Nasalierung erlauben. Das Projekt baut auf den Erkenntnissen des vorangegangenen Projekts auf und stellt die Re-Organisation der Zungen - und Velumsgeste in den Mittelpunkt, insbesondere in Kontexten, in denen die Länge der Segmente und Wörter stark reduziert ist aufgrund unterschiedlicher Sprechmodi (Lesemodus vs. Spontansprache) oder kontrollierter Sprechgeschwindigkeiten (moderates vs. hohes Sprechtempo). Den Schwerpunkt stellen Analysen von post-vokalischen Nasalen in häufig auftretenden Funktionswörtern dar, in denen eine Reduktion wahrscheinlicher ist als in weniger frequenten Wörtern. Bis zu 60 Sprecher*innen des Standarddeutschen werden mit Echtzeit-MRT gemessen, um die Bewegung des Velums in Relation zur Zunge nachzuvollziehen. Deutsch ist hierfür gut geeignet, da hier Nasale in vielen verschiedenen Kontexten auftreten und es aktuell keine Hinweise auf einen Lautwandel hinsichtlich Nasalierung gibt. Die Datenerhebung erfolgt mit einer hohen zeitlichen Auflösung von 80 Bildern pro Sekunde (12.5 ms), wodurch ein Erfassen von selbst geringen Zungenbewegungen möglich ist, welche im Fokus dieses Projekts stehen. Die Analyse der Sprachdaten erfolgt mithilfe von funktionalen Hauptkomponentenanalysen (FPCA), die es erlauben, zeitvariierende Signale als ein Satz von Hauptkomponenten darzustellen und als zeitvariierende Funktionen zu interpretieren.Insgesamt trägt dieses Projekt zu einem tieferen Verständnis davon bei, wie die Re-Organisation der Velums- und der Zungengeste von verschiedenen Sprechstilen, Lautkontexten und Worthäufigkeiten beeinflusst wird und inwiefern solche Variationen als Bedingungen für einen Lautwandel in Betracht gezogen werden können.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
Mitverantwortlich Professor Dr. Jens Frahm
 
 

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