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Zwischen theologischen Positionen und national-politischen Interessen. Katholische Bischöfe als Akteure der deutsch-französischen und deutsch-polnischen Versöhnung nach dem Zweiten Weltkrieg (1945-1990)

Fachliche Zuordnung Katholische Theologie
Förderung Förderung von 2016 bis 2020
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 328898478
 
Erstellungsjahr 2020

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Projekt hat in vergleichender Perspektive die Rolle katholischer Bischöfe in zwei bilateralen Versöhnungsprozessen nach dem Zweiten Weltkrieg - dem deutschfranzösischen und dem deutsch-polnischen - untersucht. Die zentrale Forschungsfrage lautete: Wie positionierten sich Bischöfe aus der BRD, der DDR, Frankreich und Polen zwischen einer theologischen Untermauerung des Versöhnungskonzepts einerseits und ihren politisch-nationalen Loyalitäten andererseits? Anhand der Recherchen in insgesamt 28 kirchlichen und staatlichen Archiven sowie wissenschaftlichen Bibliotheken in Deutschland, Frankreich und Polen entstand im Rahmen des Projekts eine Monographie, die eine bislang fehlende Synthese der beiden Versöhnungsprozesse in einer longue durée-Perspektive bietet. Aus der vergleichenden Analyse ergab sich das folgende Gesamtbild dieser Prozesse: Die Überzeugung von der Notwendigkeit, das Verhältnis zu dem jeweiligen Nachbarvolk auf der Grundlage der christlichen Prinzipien wieder aufzubauen, blieb unter den Bischöfen in allen untersuchten Ländern unbestritten. Allerdings variierte die praktische Umsetzung des theologischen Konzepts durch die Bischöfe in den beiden Versöhnungsprozessen im Zusammenhang mit unterschiedlichen politisch-gesellschaftlichen Bedingungen, unter denen sie agierten, sowie durch ihre Auffassung des Verhältnisses von religiöser und politischer Sphäre. Sowohl hinsichtlich der Motivationen der Bischöfe als auch bezüglich ihrer Handlungen fiel jedoch die Grenze zwischen diesen beiden Sphären äußerst unscharf aus - sie wurde von Bischöfen immer wieder kontextabhängig ausgehandelt. Im übergreifenden Blick auf die beiden Versöhnungsprozesse ergaben sich einige Ergebnisse, die vor dem Hintergrund der politischen Lage in Europa vor 1989 überraschen und zugleich die Perspektive auf die Grundlagen der europäischen Integration um Erkenntnisse aus der Kirchengeschichte erweitern. In dem untersuchten Quellenmaterial konnten über 160 direkte deutsch-polnische und knapp 90 deutsch-französische Begegnungen zwischen Bischöfen nachvollzogen werden. Die übernationale Struktur der katholischen Kirche bot den Bischöfen Möglichkeiten, Kontakte über die nationalen und politischen Barrieren hinweg zu unterhalten - und sie nutzten diese Möglichkeiten auch. Somit ergaben sich zwischen den beiden Versöhnungsprozessen viele Querverbindungen. Grundsätzlich wirkten sich die politischen Umstände des Kalten Krieges auf die Intensität und inhaltliche Tiefe der Kontakte zwischen den Bischöfen im Sinne der Versöhnung viel weniger aus als anfänglich vermutet. Darüber hinaus schien die ungleich größere geschichtliche Belastung des deutsch-polnischen Verhältnisses die Versöhnungsbemühungen im Vergleich zum deutsch-französischen Kontext eher zu fördern als zu behindern. Die Fragestellung der Monographie bleibt insofern stets aktuell, als sie am Beispiel der beiden Versöhnungsprozesse den Einfluss von Kirchenvertretern auf Politik und Gesellschaft untersucht und dabei ihr Ringen um die Grenze zwischen der religiösen und politischen Sphäre erfasst. Die Frage nach der Grenze zwischen den beiden Sphären ist innerhalb des Katholizismus in seinen unterschiedlichen nationalen Prägungen - insbesondere seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil, das sich unter anderem mit dem Auftrag der Kirche in der modernen Welt befasste - weiterhin virulent. Zugleich fällt der Abschluss dieses Projekts in eine Zeit, in der sich die Deutsche Bischofskonferenz in ihrer Erklärung anlässlich des 75. Jahrestag des Kriegsendes mit der Haltung des deutschen Episkopats während des Zweiten Weltkriegs kritisch auseinandersetzt. Die Bischofskonferenz verweist darin auf die Versöhnung mit Frankreich und Polen als Prozesse, die der Kirche in Deutschland geholfen hätten, sich mit der eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen. Vor diesem Hintergrund leistet das Projekt einen Beitrag zur Geschichtsaufarbeitung der katholischen Kirche.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Die Dynamik von Versöhnung. Deutsch-polnische Annäherung nach dem Zweiten Weltkrieg, in: Skonieczny, Tomasz (Hg.), (Un)versöhnt? Gedanken über die deutsch-polnischen Beziehungen nach 1945, Wrocław 2019, S. 29-48; polnische Ausgabe: (Nie)Symboliczne pojednanie. Rozważania o relacjach polsko-niemieckich po 1945 roku, Wrocław 2019, S. 25-42
    Urszula Pękala
  • Versöhnung für Europa. Souveränitätsansprüche des katholischen Episkopats Polens im deutschpolnischen Versöhnungsprozess nach dem Zweiten Weltkrieg, in: Gregor Feindt, Bernhard Gißibl, Johannes Paulmann (Hg.), Kulturelle Souveränität – Politische Deutungs- und Handlungsmacht jenseits des Staates im 20. Jahrhundert, Göttingen 2017, S. 197-223
    Urszula Pękala
    (Siehe online unter https://doi.org/10.13109/9783666101502.197)
  • Ringen um Versöhnung. Religion und Politik im Verhältnis zwischen Deutschland und Polen seit 1945, Göttingen 2018
    Urszula Pękala, Irene Dingel (Hg.)
    (Siehe online unter https://doi.org/10.13109/9783666570698)
  • Ringen um Versöhnung II. Versöhnungsprozesse zwischen Religion, Politik und Gesellschaft, Göttingen 2019
    Urszula Pękala (Hg.)
    (Siehe online unter https://doi.org/10.13109/9783666105272)
 
 

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