Vom Handwerk zur Industrie - Wandlungsprozesse und Krisendiskurs im städtischen und ländlichen Textilgewerbe Augsburg/Ostschwabens zwischen 1750 und 1850
Zusammenfassung der Projektergebnisse
In alten drei Teilbereichen sind die Auswertungen wegen der aufgenommenen Quellenmasse noch nicht abgeschlossen, doch kann folgendes festgehalten werden: Trotz der Bedeutung Augsburgs als Zentrum der Textilherstellung seit dem Hochmittelalter bis ins 20. Jahrhundert und seiner Sogkraft für die ländliche Weberei finden sich nur relativ wenig Hinweise auf die Wahrnehmung konjunkturellen und technischen Wandels in der Weberei durch die Handwerker selbst. Zwar liegen Beschwerden der gesamten Weberschaft vor, doch die Annahme, aufgmnd der Vielzahl der Weber würden sich auch individuelle Dokumente finden, hat sich nur begrenzt verifizieren lassen. Auch in der zeitgenössischen örtlichen und überlokalen Presse wurden - überraschenderweise - keine Spuren weder zu den Auseinandersetzungen zwischen der Weberschaft und den Handelsleuten noch im Hinblick auf die Weberaufstände gefunden. Erschwerend kommt derzeit die Auslagerung der vom Brotkäfer befallenen reichsstädtischen Quellen des Stadtarchivs Augsburg hinzu, infolge dessen dieser Quellenbestand vorläufig nicht einsehbar ist. Sehr aufschlussreich und zu vertiefen sind die Auswertungen der Konzessionsgesuche im ländlichen Raum. Dieser erstmalige Forschungsansatz belegt nicht nur eindrücklich die auch bis Mitte des 19. Jahrhunderts sich ausweitende gewerbliche Verdichtung auf dem Land, wie es an der Zunahme der Konzessionsgesuche wie auch an der Dominanz der Vermehrung vorhandener Gewerbe ablesbar ist. Genauso entscheidend ist auch das Ergebnis, dass im Untersuchungsraum zu dieser Zeit noch kaum von Reagrarisierungstendenzen auszugehen ist, da ein Rückgang aller Handwerke nicht festzustellen ist und die Zahl von Leer- bzw. Gnadenhäusler wegen der gleichbleibend großen und nicht mehr verteilbaren Ackerfläche restriktiv gehandhabt wurde. tm Hinblick auf die Armen- bzw. Unterschichtenbriefe stehen die Untersuchungen in Deutschland im Vergleich v.a. zu Großbritannien, Frankreich und Spanien noch relativ am Anfang, so dass Folgeuntersuchung nicht nur wünschenswert sind, sondem dringend erforderlich für vergleichende Analysen im Hinblick auf Argumentationsstrategien, Aufnahmemodi, Übereinstimmungen oder Spezifika sowie der Wahmehmung von Armut. Dieser einmalige Quellenbestand bietet nicht nur Einblick in die Alltagsbewältigung armer Leute, sondern auch in Bezug auf die Entscheidungen der 'herrschaftlichen' Seite, also der Fuggereistiftung. Aus den bisherigen Analysen lässt sich ableiten, dass die vielfach in der heutigen Öffentlichkeit benannten Aufnahmevoraussetzungen wie Besitz des Augsburger Bürgerrechts oder Abweisung von Frauen mit unehelichen Kindem usw. zu revidieren sind. Schließlich sind die Kenntnisse der Supplikanten über institutionelle Hierarchien und Rechtswege beeindruckend wie auch ihr Beharren, diese Rechte innerhalb des Wohlfahrtsystems einzufordem. Abschließend ist festzuhalten, dass der eingeschlagene Forschungsweg äußerst vielversprechend ist und auch dringend vertieft werden sollte, um abseits statistischer Auswertungen und Aussagen die mentalitätsgeschichtliche Verarbeitung von Krisen und Amiut eruieren zu können. Weitere Ergebnisse dieses Projektes sollen wegen ihrer Bedeutsamkeit im Laufe des Jahres publiziert werden.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- ...bitte ich um die milde Gabe und den Genuß der Aufnahm in die Fuggerey...Bittschriften bedürftiger Leute im Augsburg des 19. Jahrhunderts, in: Johannes Burkchardt u.a. (Hg.), Geschichte in Räumen. Festschrift für Rolf Kießling zum 65. Geburtstag, Konstanz 2006, S. 135-154
Anke Sczesny
- Wirtschaft und Recht auf dem Weg in die Moderne, in: Thomas M.J. Möllers (Hg.), Standardisierung durch Markt und Recht (Schriften des Augsburg Centers for Global Economic Law and Regulation/Artbeiten zum Internationalen Wirtschaftsrecht und zur Wirtschaftsregulierung 18). Baden-Baden 2008, S. 231- 246
Rolf Kießling
- The German wool and cotton industry from the sbdeenth to the twentieth century, in: Lex Heerma van Voss, Eis Hiemstra- Kupenjs and Elise van Nederveen Meerikerk (eds.). The Ashgate Companion to the History of Textile Woricers, 1650-2000, Aldershot 2010, S. 200-229
Dietrich Ebeling/Marcel Boldorf/Stefan Gorißen/Michael Mende/Anke Sczesny/Michaela Schmölz-Häberlein