Idee, Praxis, Wirkung. Die Rolle der Dialektik bei Augustin und deren Rezeption bei John Wyclif
Final Report Abstract
Im Rahmen des Projekts wurde Augustins dialektische Argumentation in den Cassiciacum-Dialogen analysiert. Dialektik ist bei Augustin, wie gezeigt werden konnte, i.W. mit der Aussagenlogik der Stoiker gleichzusetzen. Im Hauptteil der Studie wurde anhand der Dialoge Contra Academicos, De beata vita, De ordine und Soliloquia, einschließlich des Fragments De immortalitate animae, untersucht, wie Augustin dialektische Techniken anwendet. Insbesondere wurde der Frage nachgegangen, welche Funktion die Dialektik bei der Lösung der in den Cassiciacum-Dialogen diskutierten Probleme erfüllt: Augustin gibt auf die in den Dialogen diskutierten Fragen jeweils christliche Antworten. Dabei fällt auf, dass er zunächst ausschließlich auf der Basis pagan-philosophischer Prämissen argumentiert, während das spezifisch Christliche lange Zeit unsichtbar oder zumindest im Hintergrund bleibt. Der Dialektik kommt in den untersuchten Dialogen die Aufgabe zu, die auf der Basis christlicher Glaubenswahrheiten hergeleiteten Lösungen als Ergebnis einer philosophischen Argumentation zu präsentieren. Mit Hilfe dialektischer Techniken integriert Augustin christliche Dogmen in die philosophische Diskussion. Durch die zielgerichtete Eliminierung paganer Prämissen bzw. die geschickte Kombination traditioneller Annahmen mit christlichen Glaubenssätzen soll die christliche Lösung der diskutierten Probleme den pagan-philosophischen Erklärungsmodellen zumindest als gleichwertig, wenn nicht sogar als überlegen erwiesen werden. Die Dialektik ermöglicht es Augustin somit, die catholica fides als ernst zu nehmendes Konkurrenzsystem zu den Lehren paganer Philosophen zu etablieren. Insofern die Dialektik als diejenige Wissenschaft aufgefasst wird, die sicherstellt, dass wahre Aussagen auf gültige und widerspruchsfreie Weise, mithin wahrheitskonservierend miteinander verknüpft werden, eignet sie sich besonders, die – nach Augustins Darstellung – wahren Grundannahmen der christlichen Lehre in den philosophischen Diskurs zu integrieren. Die Dialektik dient ihm dazu, christliche Lösungen für bestimmte Probleme so zu präsentieren, als ob sie sich als notwendige oder zumindest nachvollziehbare Schlussfolgerungen aus den diskutierten pagan-philosophischen Konzepten ergäben. Dagegen macht die vorliegende Studie deutlich, dass die in den Cassiciacum-Dialogen herbeigeführten christlichen Lösungen jeweils insofern von vornherein angelegt sind, als in der Argumentation die Wahrheit der catholica fides immer schon vorausgesetzt wird. In einer Reihe von Einzelstudien wurden Argumentationsstrukturen in Augustins späteren Schriften analysiert, wobei gezeigt werden konnte, dass der ,Kirchenvater‘ das Begriffs- und Analyseinstrumentarium der pagan-antiken Dialektik sowohl in den antihäretischen Kontroversen und anti-paganen Debatten wie auch in der Exegese einsetzt, um christliche Theologumena zu stützen und zu schützen. Dabei wurde deutlich, dass er sich nicht allein das Wissen in Dialektik und Rhetorik, sondern auch in der Sprachphilosophie zunutze macht, die ihm die Grundlage für eine Interpretation von Aussagen und Begriffen liefert, die seine Position stützen können.
Publications
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2008: Augustine on the power and weakness of words, Papers of the Langford Latin Seminar 13 (2008) 365-38
Therese Fuhrer
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Rezension Jörg Trelenberg: Augustins Schrift De ordine. Einführung, Kommentar, Ergebnisse, Tübingen (Mohr Siebeck) 2009, in: JbAC 51 (2008), 211-214
Tobias Uhle
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2009: Der Geist im vollkommenen Körper. Ein Gedankenexperiment in Augustins De civitate dei 22, in: D. Frede/B. Reis (Hrsgg.), Body and Soul in Ancient Philosophy (Berlin/New York 2009) 465-491
Therese Fuhrer
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2009: Hermeneutik und Metaphysik: Augustin über die Arbitrarität von Sprache, in: G. Förster/A. E.J. Grote/C. Müller (Hrsgg.), Spiritus et Littera. Beiträge zur Augustinus-Forschung, FS C.P. Mayer (Würzburg 2009) 129-150
Therese Fuhrer
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Wahrheit IV. Altphilologisch, in: Oda Wischmeyer (Hg.), Lexikon der Bibelhermeneutik. Begriffe – Methoden – Theorien – Konzepte, Berlin 2009, 653-654
Tobias Uhle