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Unterdrückung der Nebenstimulation bei elektrischer Stimulation mit triphasischen Pulsen bei Cochlea Implantaten

Fachliche Zuordnung Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Phoniatrie und Audiologie
Kognitive, systemische und Verhaltensneurobiologie
Förderung Förderung von 2017 bis 2023
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 332109708
 
Erstellungsjahr 2021

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Cochlea-Implantat (CI) gilt als die erfolgreichste Neuroprothese, die das Gehör von ertaubten Menschen in weiten Teilen wiederherstellen kann. Es besteht aus einem Stimulator, der in das Innenohr des Nutzers implantiert wird und einem äußeren Audioprozessor, welcher Schallwellen drahtlos an den Stimulator überträgt. Der Stimulator ersetzt untergegangene innere Haarzellen im Innenohr indem er die Fasern des Hörnervs mit elektrischen Pulsen stimuliert. Da sich das elektrische Feld jedoch auch außerhalb der Cochlea ausbreitet, können dadurch unerwünschte Nebeneffekte auftreten. Ein bekannter Nebeneffekt ist die zusätzliche Reizung von Teilen des Gesichtsnervens (N. facialis), welche sich in einem Zucken um das Auge (M. orbicularis oculi) und/oder den Mund (M. orbicularis oris) äußern kann. Dabei können bestimmte Erkrankungen, wie z.B. Otosklerose oder Veränderungen, die zu einer Erhöhung der Stimulations-Stromstärke in der Nähre des Gesichtsnervens führen, die Auftrittswahrscheinlichkeit der Facialis-Costimulation erhöhen. Als Methoden zur Linderung der Symptome standen in der Vergangenheit nur die Verringerung der Stimulations-Stromstärke oder eine Deaktivierung von betroffenen Stimulationskanälen zur Verfügung. Besonders letzteres kann sich negativ auf die Qualität der akustischen Übertragung auswirken. Im Vorfeld des Projekts konnte gezeigt werden, dass bei Verwendung einer speziellen Pulsform der elektrischen Stimulation diese Nebeneffekte signifikant reduziert werden können. Standardmäßig verwenden moderne CI-Systeme sogenannte biphasische Pulse. Die neuartige spezielle Pulsform, die die Facialis-Costimulation verhindert, besteht dahingegen aus drei Phasen. Wie beim biphasischen Puls, heben sich die Ladungen beim triphasischen Puls auf. Vorausgegangene Studien zeigten, dass die neuronale Antwortstärke nach Stimulation mit triphasischen Pulsen geringer ist als mit biphasischen Pulsen. Eine weitere Möglichkeit sind sogenannte präzisions-triphasische Pulse. Diese spezielle Form der triphasischen Pulse lassen eine gewisse Anpassung der Pulsform zu: die erste Phase ist in der Amplitude veränderlich, die letzte Phase wird automatisch so gewählt, dass Ladungsneutralität entsteht (PAR, Phasen-Amplituden Verhältnis, Verhältnis erster zu letzter Phase). Es gibt jedoch noch es keine Erfahrungen zu ihrer Anwendung bei Facialis-Costimulation. Daher bestand ein weiteres Ziel des Projekts mit Hilfe von Messungen zu untersuchen, ob durch die Anwendung präzisions-triphasischer Pulse die Facialis- Stimulation noch wirkungsvoller reduziert werden kann. Unsere Messungen mit dem im CI eingebauten Messverstärker an PatientInnen zeigen, dass der Effekt der Reduktion der Facialis-Costimulation mit Hilfe von triphasischen Pulsen nicht auf eine geringere Feldausbreitung innerhalb der Cochlea zurückzuführen ist. Jedoch besteht die Möglichkeit, dass durch die verwendete Messmethode kleinste Unterschieden nicht ausreichend detektiert werden. Daher sollten diese Messungen im Tierversuch mit direktem Zugang wiederholt werden. Die elektrophysiologische und psychophysikalischen Messungen nach Stimulation mit präzisionstriphasischen Pulsen in PatientInnen und die Simulation im Modell zeigen, dass präzisionstriphasiche Pulse im Prinzip in der Lage sind die Effektivät der standard-triphasischen Pulse zu erreichen. Die Simulationen sind in Kooperation mit der Forschungsgruppe in Leiden um Professor Frijns entstanden. Diese Ergebnisse dienten als Grundlage einer weiteren elektrophysiologischen Messung im OP an PatientInnen, die ein CI erhielten. Die durch das Modell vorausgesagte vorteilhafte Pulsevariante mit PAR = 0.4 wurde nur in einem Fall mit Otsoklerose bestätigt. Otosklerose ist die zahlenmäßig größte Ursache bei PatientInnen mit Facialis-Nebenstimulation. Zusammenfassend ist die Anwendung von triphasischen und präzisionstriphasischen Pulsen eine wichtige Alternative bei auditorischen Prothesen, um unerwünschte Nebenwirkungen zu unterdrücken. Diese Pulsformen könnten auch bei anderen Neurostimulationen wie bei der Tiefen Hirnstimulation hilfreich sein. Der Projektverlauf wurde durch die Corona Pandemie nachhaltig gestört, da eine vollständige Umstellung des Klinikbetriebes erfolgte und elektive Eingriffe, wie CI-Implantationen pausiert wurden.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2018) Evaluation of an artifact reduction strategy for electrically evoked auditory steady-state responses: Simulations and measurements. J Neurosci Methods, 296:57-68
    Bahmer, A, Pieper, S, Baumann, U
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.jneumeth.2017.12.025)
  • (2019) Rate pitch discrimination in cochlear implant users with the use of double pulses and different interpulse intervals. Cochlear Implants Int, 20:312-323
    Pieper, S. H. , Bahmer, A.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1080/14670100.2019.1656847)
  • (2020). Loudness Perception and Dynamic Range Depending on Interphase Gaps of Biphasic Pulses in Cochlear Implants. Ear and hearing, 41(5), 1251–1257
    Pieper, S. H., Brill, S., & Bahmer, A.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1097/aud.0000000000000843)
 
 

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