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Jenseits von Kiel. Wissenschaftsgeschichte der quantitativ-theoretischen Wende in der deutschsprachigen Geographie aus Perspektive historischer Netzwerkanalyse und ungleicher Geographien

Fachliche Zuordnung Humangeographie
Förderung Förderung von 2016 bis 2021
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 332948674
 
Erstellungsjahr 2021

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das wissenschaftshistorische Forschungsprojekt "Jenseits von Kiel" untersuchte die sogenannte '‘Quantitative Revolution” in der deutschsprachigen Geographie. Unter diesem Begriff wird eine Phase der universitären Geographie gefasst, in der aus einer Kritik an der länderkundlichen Geographie die Forderung nach der Übernahme moderner Wissenschaftstheorien, quantitativer Verfahren und angewandter Forschungsfragen formuliert wurde. In der Regel wird diese Phase in Bezug auf die anglophone Geographie auf die 1950er und 1960er Jahre und in Bezug auf die deutschsprachige Geographie auf die späten 1960er Jahre datiert. Insbesondere in der deutschsprachigen Geographie wird die quantitative Revolution an einigen wenigen Ereignissen festgemacht. Vor diesem Hintergrund war der zentrale Ausgangspunkt des vorliegenden Forschungsprojekts die Annahme, dass diese Erzählung und disziplinäre Erinnerung einer genaueren wissenschaftsgeschichtlichen Untersuchung nicht standhalten, sondern als Mythen zur Selbstvergewisserung der Disziplin fungieren, mit denen insbesondere seit den späten 1970er Jahren eine disziplinäre Fortschrittsgeschichte erzählt wurde. Ziel des Projektes war es daher, eine heterogenere und situierte Geschichte der Geographie jener Umbruchsphase zu schreiben, die ihren Fokus weniger stark auf einzelne Autoren und einige wenige ideengeschichtliche Momente legt. In unserem Forschungsprojekt haben wir uns für einen doppelten methodischen Zugriff auf die Untersuchung der quantitativ-theoretischen Wende in der deutschsprachigen Geographie entschieden. Es sollte sich dem Forschungsgegenstand einerseits mit Hilfe einer quantitativ ausgerichteten historischen Netzwerkanalyse nähern und andererseits mit einer qualitativ vorgehenden Perspektive, die sich auf die ungleichen Geographien und Zeitlichkeiten der untersuchten Gegenstände fokussiert. Die historische Netzwerkanalyse hat eine bibliographische Analyse der zentralen Zeitschriften der deutschsprachigen Geographie zwischen 1950 und 1979 unternommen. Ziel dieses quantitativen Zugangs war es unter anderem, den kollektiven Charakter von Wissenschaft stärker zu fokussieren und zudem zu untersuchen, inwieweit die in Retrospektive proklamierten Veränderungen tatsächlich sich in der geographischen Forschungsarbeit niederschlugen. Die qualitativen Tiefenbohrungen haben hingegen darauf gezielt den zeitlichen, räumlichen und inhaltlichen Blick zu weiten. Während der bisherige Blick in der Regel auf eine wenige wissenschaftstheoretische Grundlagentexte und Diskussionen liegt, haben wir mit kleineren Untersuchungen im Bereich der Stadtgeographie und des in der Geographie verwendeten Naturbegriffs versucht zu zeigen, wie sich gerade auch das empirische Arbeiten im Vorgang zu diesen wissenschaftstheoretischen Entwürfen verändert hat. Außerdem haben wir versucht, die quantitative Geographie selbst zu verräumlichen und nach der Geographie dieser Transformation zu fragen. Einerseits haben wir am Beispiel eines einzelnen Standorts nach den lokalen Aushandlungen und Durchsetzungen quantitativ theoretischer Geographien gefragt und andererseits haben wir gemeinsam mit einem ungarischen Kollegen eine internationalere Debatte zu diesem Thema angestoßen.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2018): Jenseits von Kiel: Zu einer Wissenschaftsgeschichte der quantitativ-theoretischen Wende in der deutschsprachigen Geographie. In: Geographica Helvetica 73, S. 301-307
    Michel, Boris & Katharina Paulus
    (Siehe online unter https://doi.org/10.5194/gh-73-301-2018)
  • (2018): „World War II was the best thing that has happened to geography“ Der Beitrag des Zweiten Weltkrieges zu einer neuen Raum- und Kartenpraxis in der Geographie. In: Lars Nowak (Hg.): Medien - Krieg - Raum. Paderborn: Wilhelm Fink, S. 261- 290
    Michel, Boris
    (Siehe online unter https://doi.org/10.30965/9783846758724_010)
  • (2019): „Das komplizierteste Glied unserer hochorganisierten Kulturlandschaft“. Die Anfänge der quantitativ-theoretischen Wende und das Problem der Stadt. In: Geographische Zeitschrift 107 (2), S, 88-106
    Braun, Johann & Boris Michel
    (Siehe online unter https://doi.org/10.25162/gz-2019-0005)
  • (2020): Geographies, Hope and a German perspective on Escapees and Re­turnees. In: Journal of Historical Geography 69, S. 96-97
    Michel, Boris
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.jhg.2020.04.004)
  • (2020): Produktionen von Sichtbarkeit, Andeutung und Abwesenheit. In: Geographische Zeitschrift 108 (2), S. 125-147
    Michel, Boris & Katharina Paulus
    (Siehe online unter https://doi.org/10.25162/gz-2019-0019)
 
 

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