Volatilom und Transkriptom des Speisepilzes Agrocybe aegerita
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Die Analyse von volatilen Substanzen (VOC) in Pilzen ist keineswegs trivial. Insbesondere wenn die Untersuchung der VOC im Pilz unter möglichst natürlichen Bedingungen ablaufen soll, um z.B. die biologischen Funktionen dieser Substanzen näher zu betrachten, ist die Auswahl einer geeigneten Extraktionsmethode ein entscheidender Punkt. Häufig werden die Proben vor der Extraktion zerkleinert oder anderweitig beschädigt, um die VOC mit Lösungsmitteln oder SPME zu extrahieren. Die Verletzung des Pilzgewebes kann zu unerwünschten Enzymreaktionen und damit einhergehend zu einer unnatürlichen Veränderung der VOC Zusammensetzung führen. Um dem entgegenzuwirken, wurde eine Kultivierungsmethode unter Nutzung modifizierter Kristallisierschalen entwickelt, die eine nicht-invasive Analyse der VOC im Kopfraum der Kultur mittels SPME-GC-MS zulässt. Darüber hinaus gestattet der Aufbau die Darstellung des kompletten Lebenszyklus eines Ständerpilzes: angefangen vom vegetativem Wachstum über die einzelnen Fruchtkörperstadien bis zur Sporulation. Die Ergebnisse dieser Analysen, angewendet auf den Speisepilz Cyclocybe aegerita (Synonym Agrocybe aegerita), zeigten, dass die Zusammensetzung der VOC von Pilzen, das sogenannte Volatilom, keineswegs statisch ist und sich mit den wechselnden biologischen Bedürfnissen des Pilzes während der Entwicklung verändert. Dieser Umstand findet bei der Analyse von VOC in Pilzen oft wenig Beachtung, da meistens nur ein Entwicklungsstadium für die Betrachtung des Volatiloms genutzt wird. Weiterhin konnte gezeigt werden, dass Alkohole und Ketone, einschließlich Oct-1-en-3-ol und Cyclopentanon, die dominierenden Substanzen im Kopfraum früher Entwicklungsstadien waren. Während der Bildung von Fruchtkörpern und speziell während der Sporulation konnte eine drastische Veränderung des Volatiloms beobachtet werden. Hier waren Sesquiterpene, insbesondere ∆6-Protoilluden, α-Cubeben und δ-Cadinen, die vorherrschenden Substanzen. Nach der Sporulation nahm die Menge an Sesquiterpenen deutlich ab, während neue flüchtige Verbindungen, vorrangig Octan-3- on, detektiert wurden. Ergänzend zur Analyse der VOC im Kopfraum von C. aegerita Kulturen, wurde das Transkriptom untersucht und mit den zugehörigen Volatilomdaten verglichen. Es konnten Zusammenhänge zwischen Gentranskription und Biosynthese einiger flüchtiger Verbindungen in C. aegerita gezeigt werden. So wiesen Gene, die für Sesquiterpensynthasen codieren, während der Sporulation eine erhöhte Transkription im Myzel auf. Dieses Ergebnis ist überraschend, da die höchsten Mengen an Sesquiterpenen während der Sporulation auftraten und somit eine Synthese in den Fruchtkörpern zu erwarten wäre. Darüber hinaus konnten Einblicke in die Biosynthese von C8 VOC, wie Oct-1-en-3-ol und Octan-3-on, gewonnen werden. Obwohl diese C8 Oxylipine ubiquitär in Pilzen vorkommen und verantwortlich für das „typische“ Pilzaroma sind, ist über deren Biosynthesewege verhältnismäßig wenig bekannt. Der Abgleich des Konzentrationsverlaufs von C8 VOC im Kopfraum von C. aegerita mit den Transkriptomdaten ermöglichte die Identifizierung von Enzymen, einschließlich Lipoxygenasen (LOX), Dioxygenasen (DOX), Hydroperoxidlyasen (HPL), Alkoholdehydrogenase (ADH) und En-Reduktasen, die potentiell an der Biosynthese der C8 Oxylipine beteiligt sind. Interessanterweise konnte die vorhergesagte Reaktion einer En-Reduktase, nämlich die Umsetzung von Oct-1-en-3-one zu Octan-3-one, durch deren rekombinante Produktion und Charakterisierung bestätigt werden. Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass sich das Volatilom von C. aegerita in Abhängigkeit vom Entwicklungsstadium und der Fruktifikation auf bemerkenswerte Weise verändert. Die entwickelte Kultivierungsmethode und Vorgehensweise bei der Volatilomanalyse sind auch für andere Pilze bzw. Organismen anwendbar. Zudem konnte gezeigt werden, dass die Verknüpfung von Transkriptomdaten mit der Untersuchung des Volatiloms die Möglichkeit bietet, effizient bis dato unentdeckte Biosynthesewege von Aromastoffen in Pilzen aufzuklären. Diese Vorgehensweise ist sicherlich auch für die Aufklärung der Bildung andere Metabolite anwendbar und zielführend.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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(2019) Aroma Profile Analyses of Filamentous Fungi Cultivated on Solid Substrates. In: Advances in Biochemical Engineering/Biotechnology. Springer, Berlin
Orban A, Fraatz MA, Rühl M
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(2020) Agrocybe aegerita serves as a gateway for identifying sesquiterpene biosynthetic enzymes in higher fungi. ACS Chemical Biology 15:1268-1277
Zhang C, Chen X, Orban A, Sukhal S, Birk F, Too H-P, Rühl M
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(2020) Volatilomes of Cyclocybe aegerita during different stages of monokaryotic and dikaryotic fruiting. Biological Chemistry 408:995-1004
Orban A, Hennicke F, Rühl M
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(2021) Biotransformation of [U-13C]linoleic acid suggests two independent ketonic- and aldehydic cycles within C8-oxylipin biosynthesis in Cyclocybe aegerita (V. Brig.) Vizzini. Mycological Progress 20:929-940
Karrer D, Weigel V, Hoberg N, Atamasov A, Rühl M
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(2021) Expanding the biocatalytic toolbox with a new type of ene/yne‐ reductase from Cyclocybe aegerita. ChemCatChem 13:1–10
Karrer D, Gand M, Rühl M
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(2021) Transcriptome of different fruiting stages in the cultivated mushroom Cyclocybe aegerita suggests a complex regulation of fruiting and reveals enzymes putatively involved in fungal oxylipin biosynthesis. BMC Genomics 22:324
Orban A, Weber A, Herzog R, Hennicke F, Rühl M