Tägliche Dynamiken in Arbeitsgedächtnistrainings: Die Bedeutung von Stimmung, Motivation, Stress und Schlaf an Trainingstagen für den Trainingserfolg bei Grundschulkindern
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das Arbeitsgedächtnis (AG) ist für die gleichzeitige Speicherung und Verarbeitung von Informationen zuständig und hat eine begrenzte Kapazität. Robuste interindividuelle Unterschiede in der AG-Leistung begrenzen andere Denkleistungen. Die Forschung zu AG-Trainings zeigt eine gemischte Befundlage für trainingsbedingte Veränderungen. Die meisten Studien zeigten Leistungsverbesserungen bei den trainierten WM-Aufgaben, aber Transfereffekte zu nicht trainierten kognitiven Aufgaben sind umstritten. Die vorliegende Studie basiert auf dem Ansatz, dass die Untersuchung interindividueller Unterschiede und intraindividueller Variationen während des Trainings zu einem besseren Verständnis möglicher zugrunde liegender Mechanismen beitragen kann. Dafür wurden 97 Grundschulkinder der dritten und vierten Klasse zufällig entweder einem adaptiven oder nicht-adaptiven AG-Training von 16 Sitzungen über sechs Wochen in einem Pretest – Posttest – Follow-up – Design zugwiesen (d.h. der Trainings- oder aktiven Kontrollgruppe). Statistische Analysen ergaben einen signifikanten Trainingseffekt (d. h. eine höhere AG-Leistung) in der Trainingsgruppe im Vergleich zur aktiven Kontrollgruppe, der auch nach drei Monaten noch bestand. Transfereffekte auf eine von zwei untrainierten AG-Aufgaben und eine von zwei untrainierten Flexibilitätsaufgaben lieferten Belege für sowohl bereichsspezifische als auch bereichsübergreifende Verbesserungen. Diese Ergebnisse stehen im Einklang mit einer verbesserten Effizienz der AG-Verarbeitung und der Entwicklung neuer übertragbarer kognitiver Routinen, wie sie von theoretischen Rahmenmodellen vorgeschlagen werden (dem Capacity-Efficiency Modell und dem Cognitive Routine Framework). Analysen der interindividuellen Unterschiede zwischen den Teilnehmenden ergaben größere Trainingsgewinne bei Kindern mit einer niedrigeren Ausgangsleistung im AG, was einen sogenannten Kompensationseffekt darstellt. Analysen der intraindividuellen Variation im Zeitverlauf (in der Trainingsgruppe) zeigten Beziehungen zwischen der täglichen AG-Leistung und Wohlbefinden. An Tagen, an denen die Eltern eine höhere negative Stimmung ihrer Kinder oder einen milden Eltern-Kind-Konflikt berichteten (Ungeduld mit dem Kind), war die AG-Leistung der Kinder im Training etwas geringer. Dieser korrelative Befund wirft ein Licht auf mögliche Kontexteffekte im Alltag, die mit der Effektivität des Trainings zusammenhängen. Zusammengefasst zeigen die Ergebnisse aufgabenspezifische Transfereffekte sowie kompensatorische und Kontexteffekte des AG-Trainings. Dies ist neben anderen Studien ein Hinweis darauf, dass man kognitive Trainings nicht allgemein als wirksam oder unwirksam einschätzen sollte, sondern dass die individuelle Passung zu den teilnehmenden Personen entscheidend ist. Die zentrale Forschungsfrage ist nicht, ob Trainings im Mittel effektiv sind, sondern für wen unter welchen Kontextbedingungen sie das sein können.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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. No stress, please! Investigating the effect of stress on training and transfer effects of a working memory training with elementary school children. Poster presented at the 21st Conference of the European Society for Cognitive Psychology (ESCoP), Tenerife, Spain. (2019, September)
Elibol, N., Karbach, J. & Könen, T.
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Analyzing Individual Differences in Intervention-Related Changes. Advances in Methods and Practices in Psychological Science, 4(1).
Könen, Tanja & Karbach, Julia
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Working-memory training in elementary school children: Effects on executive functioning. Talk at the 22nd Conference of the European Society for Cognitive Psychology (ESCoP), Lille, France. (2022, September)
Könen, T. & Karbach, J.
