Neurokognitive Basis auditorisch-linguistischer Regellernprozesse bei Säuglingen und Erwachsenen: Regelextraktion und Gedächtnisprozesse
Allgemeine, Kognitive und Mathematische Psychologie
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das Projekt „Neurocognitive basis of auditory-linguistic rule learning in infancy and adulthood“ hat es sich zum Ziel gesetzt, die frühkindlichen neurokognitiven Prozesse zu untersuchen, die das Lernen nichtbenachbarter Abhängigkeiten (NBAs) zwischen verschiedenen linguistischen Segmenten (Silben, Vokalen, Konsonanten) unterstützen. Die Fokussierung auf die verschiedenen Segmente war motiviert durch die sogenannte consonant-vowel hypothesis, die einen Vorteil für Vokale ggü. Konsonanten bei der Extraktion grammatischer Regeln voraussagt. Schon vor den ersten Lautäußerungen von Kindern werden wichtige Meilensteine der Sprachentwicklung erreicht und erste sprachliche Regeln entdeckt. Die vorliegende Studienreihe verfolgte das Ziel, grundlegende Lernprozesse, die den Grammatikerwerb unterstützen, im Detail zu charakterisieren. Um mögliche entwicklungsbedingte Veränderungen zu erfassen wurden 5 EEG-Studien mit Erwachsenen und 3 EEG-Studien mit 8-10 Monate alten Kindern durchgeführt, die jeweils zum Teil ergänzt wurden durch ein weiteres kurzes EEG-Experiment zur Testung der Verarbeitung natürlichsprachlicher NBAs sowie durch psychometrische Tests allgemeinkognitiver Fähigkeiten. Bei den Experimenten wurden neben Verhaltensmaßen bei Erwachsenen, ereigniskorrelierte Potentiale (EKPs) in Antwort auf korrekte und inkorrekte NBAs untersucht, die sich bereits in vielen vorhergehenden Studien mit Erwachsenen und Kindern als Indikatoren für den erfolgreichen Erwerb derselben erwiesen haben. Die Experimente 1 – 3 verwendeten ein Versuchsdesign, in dem alle segmentalen Informationen als Grundlage für das Lernen zur Verfügung standen und es wurde getestet, ob Erwachsene in solchen Stimuli ein bestimmtes Segment als Träger der grammatisch relevanten Information bevorzugen. Entgegen der consonant-vowel hypothesis zeigte sich lediglich die Silbe als effizienter Träger der gelernten sequentiellen Muster. Diese Ergebnisse wurden bereits auf mehreren Konferenzen präsentiert und ein Manuskript zur Veröffentlichung eingereicht. Die Experimente 4 – 6 verwendeten ein Versuchsdesign, das es erlaubte, die Lernbarkeit von NBAs für jedes Segment getrennt zu untersuchen. Hier zeigte sich ebenso wie in den vorangegangenen Studien eine fast ausschließliche Lernbarkeit silbenbasierter NBAs. In Experiment 7 – 8 zeigte sich, dass 8-10 Monate alte Kinder im Gegensatz zu Erwachsenen durchaus in der Lage sind, vokalbasierte NBAs zu extrahieren. Konsonantbasierte NBAs wurden jedoch nicht gelernt. Die Ergebnisse der Kinderstudien sowie weiterführende Analysen der Zusammenhänge mit der natürlichsprachlichen Verarbeitung sowie den psychometrischen Maßen werden pandemiebedingt erst 2021 publiziert. Für uns überraschend war die überragende Rolle silbenkodierter NBAs für den Lernerfolg bei Erwachsenen sowie die in diesem Kontext überraschende, obwohl durch die consonant-vowel hypothesis vorhergesagte, Fähigkeit von Säuglingen, vokalbasierte NBAs zu extrahieren. Durch unsere Ergebnisse verliert die consonant-vowel hypothesis, zumindest im Bereich der Erwachsenensprachverarbeitung, an empirischem Rückhalt und somit an Plausibilität. Demgegenüber steht eine mögliche wichtige Rolle im Entwicklungsbereich. Es bleibt eine sehr interessante Frage für zukünftige Projekte, den angedeuteten Entwicklungsprozess sowohl im Zeitverlauf als auch hinsichtlich der dazu beitragenden Mechanismen zu spezifizieren.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- (2018). On the segmental basis of non-adjacent dependency learning in spoken language. Cognitive Neuroscience of Second and Artificial Language Learning, Bangor, UK
Weyers, I. & Mueller, J. L.
- (2018). The neurocognitive basis of auditory-linguistic rule learning from infancy to adulthood. ISOLDE: Infant Studies on Language Development in Europe, Potsdam
Weyers, I. & Mueller, J. L.
- (2018). The perceptual basis of non-adjacent dependency learning. Crossing the Borders: Development of language, cognition and the brain, Potsdam
Weyers, I. & Mueller, J. L.
- (2019). Non-adjacent dependency learning over different segments in speech. Computational Cognition Workshop, Osnabrück
Weyers, I. & Mueller, J. L.
- (2019). Non-adjacent dependency learning over different segments in spoken language. Statistical Learning Conference, Donostia, San Sebastián, ES
Weyers, I. & Mueller, J. L.
- (2021). 8-10 months old infants extract non-adjacent dependencies from segmental information. CogSci 2021, Vienna, AU
Weyers, I., Mueller, J. L. & Männel, C.
(Siehe online unter https://doi.org/10.48448/6qfy-5234)