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Mannwerdung hinter Mauern. Internatserziehung und adoleszente Männlichkeit(en) in Deutschland und England, 1870-1930

Fachliche Zuordnung Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung Förderung von 2017 bis 2023
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 353613065
 
Erstellungsjahr 2024

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Ziel des Projekts war es, am Beispiel der Internatserziehung herauszuarbeiten, wie sich die Vorstellungen und Praktiken von ‚Männlichkeit‘, die die Sozialisation von bürgerlichen Jungen in Großbritannien und Deutschland prägten, in den Jahren zwischen 1870 und 1930 gewandelt haben. Internate als Einrichtungen, in denen die schulische und außerschulische Erziehung am selben Ort stattfindet, eignen sich in historischer Perspektive als Gegenstand für eine solche Untersuchung besonders, weil für sie das Zusammenspiel der verschiedenen Sozialisationsakteure wie der Lehrenden, Peergroup und Familie gut dokumentiert ist. Sie zeichnen sich jedoch als sozial elitäre Bildungseinrichtungen zugleich durch eine spezifische, meist homosoziale "Ordnung des Aufwachsens" aus. Britische und deutsche Internate glichen sich im 19. und 20. Jahrhundert in dieser sozialen Funktion, obwohl ihnen in gesamtgesellschaftlicher Hinsicht eine unterschiedliche Bedeutung zukam. Die Studie untersuchte den Wandel von Männlichkeitsidealen und -praktiken anhand von ausgewählten Internatsschulen und mithilfe eines multiperspektivischen Zugriffs, der Sozialisationsräume, -ziele, -praktiken und -effekte analysierte. Indem die Studie deutsche und britische Internate als männliche "Bildungswelten" erforschte, leistete sie einen Beitrag zur Männlichkeits- und Geschlechtergeschichte sowie zu einer vergleichenden deutschen und britischen Gesellschaftsgeschichte. Im Ergebnis wurde gezeigt, dass es seit der Mitte des 19. Jahrhunderts zu einer verstärkten Verkörperlichung von Männlichkeitsvorstellungen kam, in deren Folge der bürgerliche 'Mann' zusehends über den gesunden und abgehärteten, jungen, 'männlichen' Körper definiert wurde. Das neue Männlichkeitsideal kontrastierte mit einer bis dahin häufig offen zutage tretenden Gewaltaffinität der Internatserziehung, der in der Folge u.a. durch die Einführung von familienförmigen Erziehungspraktiken und der Koedukation begegnet wurde. Der Wandel vollzog sich in britischen und englischen Internaten in ähnlicher Form, wenn auch zeitversetzt und in unterschiedlicher Intensität. Die unterschiedliche Entwicklung war v.a. auf die divergierende soziale Bedeutung der Internatsschulen und verschiedene Bildungstraditionen zurückzuführen. Insgesamt ließ sich jedoch für beide Ländern zeigen, dass Internate im Übergang zum 20. Jahrhundert zu "Dienstleistungsinstrumenten" wurden, durch die bürgerliche Familien ihren Söhnen - und später auch ihren Töchtern - die soziale Statussicherung ermöglichen wollten.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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